96 – FC St. Pauli 2:0

Gegen den FC St. Pauli wollte Hannover 96 seinen leichten Aufwärtstrend der jüngsten Spiele fortsetzen und sich in den Aufstiegsrängen etablieren. Gegen die in leichten Schwierigkeiten steckenden Gäste reicht eine stabile Leistung mit bekannten Schwächen zu einem knappen Sieg.

Keine Wechsel, kleine Änderungen

Stendel schickte 96 erneut mit Karaman im zentralen offensiven Mittelfeld, Klaus auf der linken und Iver Fossum auf der rechten Seite ins Spiel. Zu Beginn zeigte 96 mit engen Außenspielern und viel Bewegung von Sobiech und Karaman zu den Seiten wie beim 2:0-Sieg gegen 1860 einige Flügelüberladungen und horizontal sehr kompakte Ballungen im Ballbesitz. Gegen die auf Flügelkonter und lange Bälle ausgerichteten Hamburger konnte damit zumindest ein ausreichendes Maß an Stabilität und Zugriff gewährleistet werden, sodass die umkämpfen Szenen im Umfeld zahlreicher zweiter Bälle auf den Außenbahnen und durch die aggressiv nachsetzenden 96-Akteure nur zu Einwürfen oder Freistößen weit von beiden Toren entfernt führten. Gegen das tief angelegte 4-4-2-Mittelfeldpressing St. Paulis baute Hannover dann aber zunehmend ausgewogener auf und bediente nicht mehr so stringent die rechte Seite wie im letzten Spiel. Wie schon zu Saisonbeginn konnte 96 mit Hilfe der weit aufrückenden Außenverteidiger (die in der ersten Aufbauphase allerdings wie schon zuletzt auch mal etwas tiefer angebunden waren) viel Offensivpräsenz erzeugen, den Gegner in die Breite und Tiefe drängen und in der Folge dank des konsequenten Nachsetzen beider Sechser, des ballnahen Innenverteidigers und der Außenverteidiger Kontrolle über schnellen Gegenpressingzugriff herstellen.

Mit bewusst angesetzten Wechselbewegungen auf den Außenbahnen sollte Tiefgang gewährleistet werden, indem sich der eingerückte Flügelspieler im Halbraum fallen ließ und zeitgleich der Außenverteidiger durchstartete, wenn einer der herausgekippten Sechser oder der 96-Innenverteidiger neben der ersten Hamburger Pressingreihe an den Ball kam und den freien Raum andribbelte. In Kombination mit dem herüberschiebenden Karaman oder Fossum konnten so einige Gegner beschäftigt werden, sodass entweder Raum zwischen den Linien oder Übergabeschwierigkeiten in der Gegner-Abwehr provoziert werden sollten. Nach knapp einer halben Stunde wurde außerdem zunehmend die linke Hannoversche Seite fokussiert, als Karaman den linken Flügel einnahm, Klaus auf der rechten Seite mehr Breite vor dem etwas zurückhaltenderen Sorg gab und Fossum sich als Zehner viel zwischen den Linien bewegte und mit Schmiedebach gelegentlich das zentrale, vom sehr weit mit zurückgehende Choi aufgefüllte St. Pauli-Mittelfeld auseinanderspielen konnte, das gegen den Halbraumfokus viel zu den Seiten arbeiten musste. Mit Chip-Pässen der andribbelnden Innenverteidiger oder von Schmiedebach auf Sobiech zwischen den engen Linien suchte 96 vor dem Halbzeitpfiff einen direkteren Weg, um sich über den zweiten Ball schneller vorne festzusetzen und von dort die Abwehr zu knacken. Doch wegen des konsequenten, tiefen und natürlich entschleunigenden Verteidigens der Hamburger einerseits und bekannten Ungenauigkeiten beim Ausspielen der Angriffe andererseits kam Hannover nur selten zu guten Abschlüssen. Die bei solchen Angriffen einrückenden Außenverteidiger erhöhten zwar die Gegenpressing-Griffigkeit und Stabilität, ließen aber natürlich auch Platz auf den Außenbahnen, in die Stürmer Bouhaddouz immer wieder auswich und als erste Anspielstation für die langen Bälle im offensiven Umschalten bereitstand. St. Pauli konnte aus seiner tiefen Stellung mit den viel beschäftigten Außenspielern aber nur schwerlich adäquat nachrücken und kam kaum durch.

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Aufbau- und Ballbesitzmuster bei 96 nach der Umstellung Mitte der ersten Halbzeit in den guten Momenten. Die Wechselbewegungen auf den Außennahmen in Sachen Konsequenz und Timing immer mehr ab.

Konnten die Gäste das hannoversche Nachsetzen doch einmal überspielen, boten die nach innen gegenpressenden 96-Außenverteidiger aber natürlich die Flügelräume an, die der zunehmend konstanter tief aufbauende Schmiedebach dann zu schließen hatte. Bakalorz und die offensiven Mittelfeldspieler zogen sich allerdings etwas zu linear zurück, sodass St. Pauli vereinzelt im Konter die Verlagerung durch das unausgewogen geschlossene Zentrum ansetzen konnte und über die aufrückenden Außenverteidiger zur Flanke kam. Mehr offensive Lebenszeichen wusste die Lienen-Elf aber nicht zu setzen, weil ihre beständig auf Bouhaddouz im Halbraum angesetzten langen Bälle im Aufbau für 96 letztlich zu leicht zu verteidigen waren und Buchtmann zu wenig eingebunden werden konnte.

Pauli-Risiko und Hannover-Tore

Nach dem Wiederanpfiff ging St. Pauli etwas mehr ins Risiko und schickte Buchtmann etwas früher nach vorne, um die zweiten Bälle nach den längen Zuspielen auf Bouhaddouz schneller attackieren zu können. Diese manchmal leicht verbesserte Offensivpräsenz nutzten die Hamburger in ein paar Szenen, um die Außenverteidiger mitnehmen zu können und damit insgesamt auch etwas mehr Druck nach vorne zu erzeugen, ohne daraus Torgefahr ableiten zu können. Bei 96 änderte sich zunächst wenig an der Raumbesetzung und den Bewegungen in der Angriffsreihe, sodass sich das Spiel bei Dominanz und Kontrolle für Hannover im zweiten Drittel mit gelegentlich guten Momenten im Zwischenlinienraum von Karaman und Fossum einpendelte, abgesehen von Eckbällen und Distanzschüssen gegen den massierten Gegner aber nichts zum Tor nach sich zog. Erneut brauchte Hannover daher eine Standardsituation zur Führung, bei der das zuletzt oft gesehene Muster des ballfern nach außen wegdriftenden Innenverteidigers als Zwischenstation genutzt und erfolgreich praktiziert wurde. Zum Aufholen des Rückstandes schickte St. Pauli seine Außenverteidiger noch früher in den Angriff, rückte in Person von Nehrig etwas riskanter an die Offensivspieler auf und konnte auch tatsächlich etwas mehr zweite Bälle gewinnen. In dieser spielgestaltenderen Rolle fehlte es jedoch trotz der stärkeren Zentrumsorientierung des ballsicheren Sobota und der besseren Anbindung von Buchtmann ans Spiel an kreativen Momenten gegen konsequent verteidigende Hannoveraner. Stattdessen konnte 96 mit dem eingewechselten und immer wieder nach außen treibenden Harnik und dem sich in dieser Spielanlage deutlich wohler fühlenden Füllkrug vereinzelt die entstandenen Lücken auf den Außenbahnen nutzen und über Schmiedebach, den frischen Maier oder die Befreiungs-Dribblings von Bakalorz nach Balleroberungen schnell umschalten: Klaus besorgte mit dem Schlusspfiff nach einem Konter über Füllkrug und Harnik auf dem linken Flügel den Endstand.

Am Ende steht also erneut ein sehr kontrollierter und stabiler, aber beim Übergang vom zweiten ins letzte Drittel nicht allzu überzeugender 96-Auftritt (ist gegen einen tiefstehenden Gegner aber auch schwierig) mit viel Ballbesitz, einigen sehr guten Einzelleistungen (Schmiedebach mit seinem guten Timing und wichtigen strategischen Entscheidungen nach vorne, Albornoz mit technischer Klasse, Druck nach vorne und sehr gutem Gegenpressing, etwas weniger überzeugend, aber dennoch gut Karaman und Fossum als Kreativelemente; Anton dafür schockierenderweise mit zwei, drei kleineren Fehlern) und ein paar mittelguten Abschlüssen. Der zum Standard gewordene Standardtreffer-Dosenöffner half der Stendel-Elf erneut dabei, einer ordentlichen Leistung ein gutes Ergebnis folgen zu lassen. Die spielerische Leichtigkeit im letzten Drittel über klare Abläufe zurückzugewinnen (Anbringen der diagonalen Sprints der Flügelstürmer bei zentraloffensivem Ballbesitz, die Mechanismen beim Durchbruch zur Grundlinie durch den Halbraum, das Nutzen von Sobiechs arbeitsamer Unterstützung und des Ballhaltens, etc.) muss dennoch die dringende Aufgabe der nächsten Tage und Wochen sein.

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