96 – VfL Wolfsburg 0:4

Englische Wochen der Vorentscheidung im spannendsten Abstiegskampf aller Zeiten! (Oder so.) Gegen Wolfsburg hatte Hannover 96 am Dienstagabend die Chance, den gegen Stuttgart angedeuteten Aufwärtstrend fortzusetzen und sich wieder in die Nähe der Nichtabstiegsplätze zu bringen.

  • 96 startet wieder mit dem 4-2-2-2 und den damit einhergehenden Vorteilen im Zentrum. Hannover zeigt einige gute Kombinationen, hat wegen des hohen Wolfsburger Pressings aber Probleme, konstant in diese Gelegenheiten zu kommen.
  • Wolfsburg hat von Anfang an mehr vom Ball und kann mit zunehmender Hannoverscher Passivität auch mehr Dominanz daraus entwickeln. Folgerichtig steigert sich der VfL gegen ein zu tief stehendes und im Mittelfeldzentrum instabiles 96 und kommt zur Führung.
  • In der zweiten Halbzeit macht 96 spätestens nach dem 0:2 auf. Ein destabilisierender Wechsel trägt sein Übriges dazu bei, dass 96 gnadenlos ausgekontert wird und nur knapp nicht abgeschossen wird.

Anderer Gegner, keine Umstellungen

Nach der unorthodoxen, aber effektiven Umstellung auf ein 4-2-2-2, das die Stuttgarter Schwächen im Zentrum sehr gut ausnutzte, verzichtete Thomas Schaaf auf eine abermalige Veränderung seiner Startelf. Vielleicht auch wegen der kurzen Zeitspanne zwischen den beiden Begegnungen liefen gegen Wolfsburg die gleichen Elf Spieler auf wie vor drei Tagen in Stuttgart. Und wieder formierte sich die Mannschaft in einem 4-2-2-2. Die Bewegungen innerhalb dieser Formation fielen heute etwas anders aus, da Karaman vor allem zu Beginn des Spiels viel weiter auch auf die linke Seite auswich und Hoffmann seltener weit mit in die Ballungen im Zentrum aufrückte. Ansonsten blieb es aber bei der grundsätzlichen Idee, das Zentrum zu überladen und so zu Torchancen zu kommen.

Grundformationen

Ungefähre Grundformationen vor allem zu Beginn des Spiels. Kruse sehr linkslastig, Draxler ziemlich vielseitig, Arnold sehr wichtig, Schürrle ein bisschen unorthodox. Generell viele verschiedene, teilweise unübersichtliche Staffelungen im Zentrum, hervorgerufen durch Hannovers Flexibilität und Wolfsburger Mannorientierungen in einem Mischsystem. Puh…

Dieter Hecking griff seinerseits auf eine (mir) etwas unklare Formation zwischen 4-2-3-1 und asymmetrischem 4-3-3 zurück. Joshua Guilavogui trat in einer etwas weiträumigeren Rolle als halbrechter Sechser oder Achter auf, während es im offensiven Mittelfeld eine relativ interessante und flexible Rollenverteilung zwischen Schürrle und Draxler gab, die unterschiedliche Bewegungen zeigten und auch die Positionen tauschten. Ergänzt wurde das ganze um den sehr flexiblen Kruse im Sturm, der immer wieder zurückfiel und die Ballzirkulation unterstützte, und den immer etwas unterschätzten Arnold in einer eher ankurbelnden und unterstützenden Rolle auf der halblinken und linken Seite.

Wolfsburg versucht sich an der Spielkontrolle

Schon nach wenigen Spielminuten wurde die Rollenverteilung zwischen den beiden Mannschaften deutlich: 96 formierte sich im 4-4-1-1 oder 4-4-2 im eher tiefen Mittelfeldpressing und blieb gegen den Wolfsburger Spielaufbau ziemlich passiv. Nach den ersten noch aktiveren Anfangsminuten, in denen die relativ vielfältigen und flexiblen Bewegungen der Wolfsburger noch kurz verfolgt und angelaufen wurden, fuhr Hannover die Intensität gegen den Ball immer mehr zurück. Erneut spielten Karaman und Wolf auf den Flügeln, während Kiyotake und Fossum den Sechserraum versperrten und zusammen zum Ball verschoben. So war Hannover zwar vertikal einigermaßen kompakt, deutete aber dahinter bereits Probleme an: Das Mittelfeld verteidigte relativ breit, mit größeren Abständen zwischen den einzelnen Kettengliedern als gewöhnlich. Dies wurde auch durch die lose Mannorientierung der Außenbahnspieler, vor allem von Wolf auf der linken Seite, hervorgerufen, die die aufrückenden Wolfsburger Außenverteidiger bis auf die Höhe der Abwehr verfolgten oder sich zumindest an ihnen orientierten. Teilweise rückten auch die beiden Sechser auf die ausweichenden Wolfsburger Sechser heraus, sodass sich einige Male Platz im Zentrum andeutete.

Diesen konnten die Wölfe zu Beginn allerdings nur selten bespielen, weil sie in ihrer Raumbesetzung noch nicht griffig genug waren. In den Anfangsminuten bauten sie mit eher tiefen Außenverteidigern auf und verlagerten relativ typisch von einer auf die andere Seite. Wegen Hannovers Passivität gegen den Ball konnten sich beide Sechser in der Formation positionieren bzw. mussten nicht zwischen die Innenverteidiger abkippen (Guilavogui positionierte sich halbrechts außerhalb der Hannoverschen Staffelung). Arnold trat im linken Halbraum tiefer und spielmachender auf, während sich Kruse und Draxler oder Draxler und Schürrle zunächst auf der rechten Seite aufhielten. Im Prinzip deuteten die Wolfsbuger in den ersten Minuten damit bereits eine etwas unklare, aber nicht unbedingt uninteressante 4-3-3-hafte Struktur im Ballbesitz mit Schürrle als rechtem Halbstürmer und Arnold als Mischung aus tiefem Flügelspieler und Achter an, die sich später noch deutlicher zeigen sollte. Bei Anspielen auf die Außenverteidiger ließen sich die Flügelspieler seitlich in die Halbräume zurückfallen und konnten dann mit der Ablage auf den ballnahen Sechser die flache Verlagerung einläuten. Auch Kruse zeigte sich wie üblich sehr beweglich und verließ das Sturmzentrum weiträumig und in verschiedene Richtungen, um die Ballzirkulation am Leben zu halten. Draxler und Schürrle tauschten in den Anfangsminuten zudem die Positionen. Zunächst hatte Schürrle als Zehner und Draxler auf dem rechten Flügel begonnen. Danach rückte aber Draxler verstärkt ein, während Schürrle auf der Außenbahn antrat. Grundsätzlich war Draxler zentraler und vor allem ballorientierter eingestellt und bewegte sich relativ frei durch das Mittelfeld, wohingegen Schürrle eher als Stürmer auftrat. Wenn sich Kruse fallenließ, stieß Schürrle in diesen Szenen von der Seite ins Sturmzentrum.

Mit dieser Flexibilität im Mittelfeld konnte Wolfsburg zwar den Ball gut in den eigenen Reihen halten, erzeugte aber kaum Durchschlagskraft aus dem Spiel heraus. Einerseits legten sie den üblichen, etwas trägen Rhythmus im Passspiel an den Tag und kamen so kaum einmal wirklich in die 96-Formation hinein. Sie konnten mit den relativ vielfältigen Bewegungen im Mittelfeld zwar den Ball halten, waren nach der anschließenden Verlagerung aber kaum in der Lage, in geöffnete Räume vorzustoßen oder nach dem Seitenwechsel durchzubrechen. 96 schob in der Zeit wieder gut den Raum zu und stand ziemlich stabil. Andererseits fand die Hecking-Elf keine stabile Verbindung vom Flügel ins Zentrum mehr, wenn die Außenverteidiger erst einmal aufgerückt waren. Ohne die Flankenabnehmer Dost und Bendtner wurden die Hereingaben nur einmal gefährlich, als Schürrle den Ball im Strafraum knapp verfehlte.

96 dagegen zeigte im Angriff eine gute Anfangsphase und wurde aus dem Spiel heraus auch torgefährlicher. Vor allem nach (halben) Umschaltsituationen oder abgefangenen langen Bällen konnten sich die Roten mit ihrer großen Überlegenheit im Zentrum in lokalen Überladungen festsetzen und die kurzen Kombinationswege schnell durchspielen. Vor allem auf der rechten oder halbrechten Seite zeigte Hannover einige starke Passstafetten, weil der wie üblich früh und weiter aufrückende Sakai quasi als Anker für die massiven Staffelungen diente. Zwischen Fossum, der dieses Mal etwas höher und dauerhaft zentraler zu agieren schien, dem dafür etwas stärker und vielseitiger ausweichenden und zurückfallenden Kiyotake, Karaman und Yamaguchi entstanden dann einige Dreiecke, mit denen sich 96 ein paar Mal auf der rechten Seite bis ins Angriffsdrittel kombinieren konnte. Die folgenden Hereingaben konnten allerdings nicht an den Mitspieler gebracht oder verwertet werden.

Andre Hoffmann hielt sich im Nachrücken etwas stärker zurück und sicherte die Kombinationen ab. Dabei wurde er vom in die Mitte schiebenden Sorg unterstützt. Die Wolfsburger wurden im Mittelfeld zum Zusammenziehen gezwungen und mit ihrem Hang zur Mannorientierung etwas desorganisiert, was auch noch durch teilweise sehr weit herausrückende Innenverteidiger gegen den zurückfallenden Karaman befeuert wurde. Insgesamt spielten die Niedersachsen (also, die anderen) im Zentrum aber weniger überstürzt und etwas geordneter als der VfB Stuttgart, sodass die ganz große spielerische Überlegenheit und Effektivität bei 96 etwas seltener zu sehen war – grundsätzlich konnte Hannover aber auch in dieser Phase des Spiels gute Ansätze im Ballbesitzspiel verzeichnen und kam über die linke Seite zu einer guten Torchance durch Karaman, nachdem sich 96 mit Kiyotake, Sorg und Fossum befreien konnte und sich gewissermaßen durch das Wolfsburger Mittelfeld kreiselte, ehe Kiyotake Karaman in die Schnittstelle der Abwehr schickte.

Wolfsbuger Pressing sorgt für Dominanz

Im Spielaufbau fiel es 96 allerdings deutlich schwerer als noch vor drei Tagen, überhaupt in die Position zu kommen, die Zentrumsüberladungen auszuspielen. Wolfsburg stellte Hannover sehr früh zu und presste in der 4-4-2-Grundordnung sehr viel höher als es noch die Stuttgarter getan hatten. Mit wie üblich klaren mannorientierten Zuordnungen verstellten die Wölfe die ersten Anspielstationen, sodass lange Bälle erzwungen wurden. Nur selten konnten diese gesichert und von dort ausgehend im Zentrum gehalten werden. Durch die tiefe Anbindung der beiden 96-Außenverteidiger erzeugte Wolfsburg zu Beginn sogar vereinzelte 4-2-4-Staffelungen im Pressing, bei denen die eigenen Außenverteidiger sehr früh auf ihre jeweiligen Gegenspieler (die 96-Außenverteidiger) aufrückten und viel Druck erzeugten, während die VfL-Flügelspieler zu Hannovers Sechsern einrückten. Hoffmann und Yamaguchi konnten hinter der ersten Linie nur selten flach bedient werden. Hier bestand allerdings Potential für mehr, weil das zusätzliche ballfordernde Zurückfallen der zentraloffensiven Hannoverschen Mittelfeldspieler (Kiyotake und Fossum) für Probleme in der Wölfe-Deckung sorgte: Die beiden Hannoverschen Zehner konnten nicht allzu weit von den Wolfsburger Sechsern verfolgt werden, ohne das Zentrum komplett zu entblößen. Bei den Übergabemomenten konnten sich die 96-Mittelfeldspieler immer wieder seitlich wegbewegen und doch wieder die Passwege zueinander finden, sodass sich die Schaaf-Elf in einzelnen, allerdings zu wenigen, Szenen flach im Mittelfeld freispielen konnte.

Gefahr für das eigene Tor resultierte für 96 zunächst vor allem aus Ballverlusten bzw. abgebrochenen Angriffen. Dabei zeigte sich ein ähnliches taktisches Problem des 4-2-2-2 wie schon gegen Stuttgart: Wegen des langen Umschaltweges gingen die beiden Stürmer Karaman und Wolf eher nicht ins Gegenpressing, sondern gingen möglichst schnell in ihre Pressing-Grundposition auf den Flügeln zurück. Der Gegenpressingdruck der beiden Zehner und Sechser konnte dann oft nicht wirklich greifen, weil sie teilweise zu geballt beieinander standen und leicht umspielt werden konnten. In diesen Umschaltsituationen konnte Wolfsburg mit wenigen Pässen zumindest schnellen Raumgewinn erzielen und 96 tief in die eigene Hälfte drücken. Zu Torchancen kamen sie dabei jedoch kaum, weil sie ihre Konter meist nicht gut ausspielten und die offenen Flügelräume sowie den Platz vor der 96-Abwehr nicht schnell genug bespielen konnten. Dabei hatten sie ihre Umschaltangriffe gut vorbereitet, indem sich Schürrle auffallend in dem von Sakai verlassenen Flügelraum positionierte und auf den Konter lauerte. Es entstand aber über die Konteransätze eine zunehmende Wolfsburger Dominanz, die 96 dann wiederum kaum noch zur Entfaltung kommen ließ.

Als Hannover gegen den Wolfsburger Spielaufbau passiver wurde, verstärkte sich dieser Effekt. Die VfL-Außenverteidiger rückten früher auf und drückten damit die 96-Formation sowohl nach hinten, als auch in die Breite. Da Guilavogui immer wieder relativ weit in den Angriff aufrückte, entstand eine zusätzliche Asymmetrie in der Wolfsburger Staffelung: Draxler und Kruse standen auf der linken Seite nun etwas höher, rückten aber ins Zentrum ein wenn Rodriguez in Richtung der Grundlinie lief. Arnold als gewissermaßen tieferer Achter und Luiz Gustavo waren für die Verlagerungen auf die rechte, etwas freiere Seite verfügbar und konnten die Verbindungen ins Zentrum zu Draxler gewährleisten. Die Offensivspieler der Wolfsburger setzten sich immer wieder mit relativ gut abgestimmten Bewegungen aus den höheren Räumen ab und konnten damit auch etwas stärker im Zentrum kombinieren. Insgesamt ähnelte ihre Ballbesitzstruktur jetzt auch deutlicher einem 4-3-3. Dennoch hatten sie ein wenig damit zu kämpfen, dass das Spiel weiterhin eher auf weiträumige Angriffe und die Breite des Spielfelds ausgelegt wirkte, obwohl die Bewegungen der Offensivspieler immer mehr in Richtung des Zentrums gingen. Bei Ballverlusten im Angriff hatten sie andererseits durch ihre bessere Präsenz im Mittelfeld größere Kontrolle und ließen 96 nahezu gar nicht mehr zur Entfaltung kommen. Verloren gegangene Bälle konnten schnell wieder abgefangen werden und 96 rückte nur noch selten über die Mittellinie hinaus. Wolfsburg kam jetzt auch zu Torchancen.

Folgerichtig fiel dann nach etwas mehr als einer halben Stunde der Führungstreffer für die Gäste. Wolfsburg spielte sich über die rechte Seite nach vorne, zog 96 im Zentrum auseinander und fand Draxler vor der Abwehr, der Yamaguchi abschütteln konnte. Der ehemalige Schalker konnte den Ball an Sané vorbei legen und auf den einstartenden Schürrle durchstecken, der etwas glücklich ins lange Eck traf. Anschließend bemühte sich 96 um mehr Zugriff, rückte im Pressing stärker heraus und verlagerte die erste Pressinglinie auch weiter in die Wolfsburger Hälfte. Zu wirklich zwingenden Aktionen kamen die Hausherren allerdings nicht mehr, sodass es beim leistungsgerechten Zwischenstand blieb. Hannover hatte zu Beginn die guten Kombinationsansätze aus dem Stuttgart-Spiel mit in die neue Begegnung gerettet, dabei aber auch schon Probleme im defensiven Umschalten und in der Kontrolle des Zentrums vor der Abwehr gezeigt. Als Hannover passiver wurde dominierten die Gäste dann endgültig.

Ein Geschenk zum Wiederanpfiff

Thomas Schaaf beabsichtigte mit der Auswechslung von Andre Hoffmann zu Gunsten von Ádám Szalai wohl, einen offensiven Impuls zu setzen, um den Rückstand aufzuholen. Iver Fossum rückte neben Yamaguchi ins defensive Mittelfeld, während Karaman wieder etwas stärker auf der rechten Seite auftrat und sich so eine mehr in Richtung 4-2-3-1 tendierende Formation bildete. Szalai versuchte sich allerdings auch an den Zentrumsüberladungen zu beteiligen, sodass sich wieder erste Ansätze von starken Ballungen im Zentrum zeigten. Dabei wurde Hannover aber wie so häufig etwas zu flach gestaffelt, hatte zu viele Optionen in der Breite (wenngleich es weiterhin nicht wirklich „breit“ war), war aber gleichzeitig zu wenig flexibel und verfügte über zu wenige Anspielstationen in der Tiefe. Gleichzeitig profitierte Wolfsburg nach der Hannoverschen Umstellung davon, dass 96 nun einen zurückfallenden Mittelfeldspieler weniger zur Verfügung hatte, um den Spielaufbau gegen das hohe Wolfsburger Zustellen zu unterstützen. So kam der VfL zu einem frühen Ballgewinn und schaltete schnell über Kruse um, dessen Abschluss Zieler ebenso parieren konnte wie in Zusammenarbeit mit Schulz Schürrles Nachschuss. Doch den Abpraller der anschließenden Ecke nutzte Schürrle zum 0:2.

96 drängte jetzt auch mit einem noch höheren Sakai auf den Anschluss, zeigte sich aber erwartbar schlecht für Konter abgesichert. Yamaguchi und Fossum fanden einerseits keine richtige Bindung mehr zu den Kombinationen, sicherten sie aber andererseits auch nicht vernünftig ab. Sie stellten sich zwar ansatzweise diagonal absichernd zueinander, machten dies aber gewissermaßen falsch herum. Das Mittelfeldzentrum konnte mit einfachen Pässen nach Balleroberungen ausgespielt werden und Wolfsburg fand große Räume zum Kontern gegen die beiden 96-Innenverteidiger und Sorg vor.

Im Zusammenspiel mit Kruses hervorragender Positionsfindung rollte ein Konter nach dem anderen auf Ron-Robert Zieler zu. Kruse rückte bei Ballbesitz Hannover auf die linke Seite herüber und konnte anschließend gegen Sané ins Dribbling gehen (relativ dankbar) oder direkt von den Stellungsfehlern des Senegalesen profitieren. Mit starken Pässen ins freie Zentrum auf die nachrückenden Schürrle und Draxler erzeugte er viel Gefahr. Wenige Minuten nach dem zweiten Tor vollendete Schürrle einen dieser Konter zu seinem dritten Treffer. Sein viertes Tor nach einem erneuten Konter verpasste er knapp, ehe Draxler nach bekanntem Muster auf 0:4 erhöhte.

Mit dem Sieg in der Tasche stellte Wolfsburg wieder auf ein 4-4-1-1 mit Arnold als zweitem Sechser um und ließ den Ball durch die eigenen Reihen laufen. 96 blieb um hohes Pressing bemüht, konnte aber nicht mehr entscheidend ins Spiel eingreifen. Einzelne Momente von Gefahr ergaben sich noch durch Dribblings von Karaman von der rechten Seite und die Bemühungen von Kiyotake und Fossum, führten aber nur noch zu einem Abschluss und keinem Treffer.

Fazit

Ein eigentlich leicht zu verstehendes, aber sehr schwierig zu beschreibendes und irgendwie auch überraschend zentrumslastiges Spiel, obwohl Hannover diese Zentrumslastigkeit natürlich nicht überraschend an den Tag legte. 96 startete auch nicht schlecht, hat sich aber den schleichenden Kontrollverlust in der ersten Halbzeit selber zuzuschreiben: Die Passivität im Pressing gab Wolfsburg Zeit und Ruhe im Aufbau. Das wiederum gab den Gästen Zeit, sich für das Aufrücken der Außenverteidiger und die flexiblen Bewegungen der Offensivspieler vorzubereiten. Dadurch ließ sich 96 dann nach hinten drücken und in die Breite ziehen. Mit etwas angepasster Ballbesitzstruktur konnte sich Wolfsburg dann erst die Überlegenheit erarbeiten und sie folgerichtig mit dem Führungstor belohnen. Grundsätzlich wusste Wolfsburg mit eigentlich eher untypischer Spielweise im Ballbesitz zu überzeugen und kann sich nach zuletzt schwächeren Leistungen wohl zurecht über die heute Vorstellung im ansonsten nicht unbedingt als Paradedisziplin zu bezeichnenden Ballbesitzspiel freuen.

Wolfsburg zeigte 96 aber auch, wieso mehr Aktivität und Aggressivität im Pressing für die Spielkontrolle wichtig ist: Die Gäste ließen 96 kaum in Ruhe aufbauen und liefen die Schaaf-Elf früh an, sodass sich Hannover nicht wie gegen Stuttgart oft konstruktiv ins Mittelfeld spielen konnte, um die dortige Überlegenheit auszunutzen. Stattdessen musste sich 96 öfter auf Einwürfe oder den Kampf um zweite Bälle verlassen, um sich mit den Überladungen festsetzen zu können. Wenn das in der Anfangsphase gelang, wurden die Angriffe im letzten Drittel nicht gut genug ausgespielt. Stattdessen zeigten sich in der ersten Halbzeit schon Ansätze von Gefahr im defensiven Umschalten über die Flügel und generell mangelnde Stabilität im Zentrum, die dann in der zweiten Halbzeit vollständig durchschlugen. Die freiwillige Aufgabe der Stabilität und Absicherung gegen Konter durch den Halbzeit-Wechsel war also nicht unbedingt der Hauptgrund für das Zusammenbrechen im zweiten Durchgang, aber eine wesentliche Voraussetzung für die letztlich sehr hohe Niederlage. Im Angriff wurde 96 früh zu ungeduldig und etwas zu unsauber, während die Wolfsburger mit sehr energischer Endverteidigung überzeugten. So konnten sie die aufgegebene Kontrolle im Mittelfeld ausnutzen und einen gefährlichen Konter nach dem anderen über die rechte Hannoversche Seite und das Zentrum fahren.

4 Kommentare

  • AlbertC sagt:

    Danke für die feine Analyse. Ich hatte gestern Abend Besseres zu tun und habe nur die Ausschnitte in der ARD-Sportschau gesehen und sah erschreckend viele gute Chancen der Wolfsburger. Dass man als Kellerkind gegen WOB verliert, ist ja eher der wahrscheinliche Fall, aber 0:4 das geht doch als gegen den Abstieg kämpfende Mannschaft eigentlich nicht an. Da 96 nunmal kein Überangebot von treffsicheren Spielern hat, sollte man meinen, dass man im Abstiegskampt so spielen sollte, dass der Gegner wenig Chancen erspielen kann. Eigentlich lautet das Patentrezept, um sich im Abstiegskampf zu stabilisieren ja eher: Hinten dicht und vorne Standards.
    Warum meinst Du, kriegt Schaaf die Abwehr nicht dicht? Ohne einen in guter Form befindlichen Zieler, hätte es ja mehr Buden gegen 96 gegeben.

    • Jaime sagt:

      Naja, warum genau möchte ich nicht mutmaßen. Aber das ist ja quasi der Schaaf-Markenkern. Er denkt eben vom Grundsatz her eher offensiv und sozusagen unabgesichert. Natürlich blöd, wenn man die guten Ansätze mit dem Ball dann nicht wirklich in Durchschlagskraft und Torgefahr ummünzen kann. Dann geht die Gleichung eben nicht mehr auf. Und wenn dann im Gegensatz zu seinen sonstigen Vorlieben so abwartend gepresst wird (s.o.) wirds irgendwann unangenehm.

  • JaboIbehre sagt:

    Wie immer sehr aufschlussreich!

    Ich habe mich auch gestern erneut gefragt, ob das nach aktiver Anfangsphase schnell passiver werdende Spiel gegen den Ball wirklich so gewollt war. Schaafs Gebrüll und Gewedel ließ ja durchaus Gegenteiliges vermuten…?!

    • Jaime sagt:

      Ja… andererseits kann man mit so viel Lethargie im Pressing ja auch kaum zufrieden sein.
      Mir gefällt aber auch die Pressinghöhe nicht besonders, das ist so 0815-Ängstlichkeit. Wenn dann der Gegner in der ersten Phase ungestört aufbauen kann, passiert es eigentlich zwangsläufig dass man auch dahinter an Intensität nachlässt. Man öffnet mit dem Herausrücken ja auch immer ein bisschen Raum, wenn man so nah am eigenen Tor steht will man (als Spieler, der ja auch viele eigene Entscheidungen treffen muss) das vielleicht nicht riskieren.

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