Das funktioniert doch immer noch nicht?

Sechs neue Spieler verpflichtet, einen mit viel Hoffnung begrüßten Trainer an den Start gebracht, aber noch ist nichts gewonnen. Im Gegenteil, nach drei Rückrundenspielen sieht die Situation für die Bundesligamannschaft von Hannover 96 so schlecht aus wie noch nie: Platz 18, fünf Punkte Rückstand. (Wir erinnern uns: Als Korkut entlassen wurde, lagen wir auf Platz 15.)

Aber woran liegt’s?

Nun, wir wissen es nicht, wir sind bloß ein kleiner Taktikblog und blicken von außen auf die Spiele. Weder sprechen wir mit Spielern über die Schwerpunkte im Training, noch teilt uns Thomas Schaaf samstäglich seine Planung mit. Wir erheben daher keinen Anspruch auf die absolute Wahrheit, möchten aber ein paar Probleme benennen, die wir zu sehen glauben.

1. Problem: Taktikpsychologie. Unter Schaaf spielt 96 mit dem 4-4-2 mit Raute, das ist eine gravierende Umstellung. Die Raute ist vergleichsweise schwierig zu spielen. Ihr Ziel ist die Dominanz im Mittelfeld und ein gewisser Optionsreichtum in der Offensive; ihr Problem ist die schwache Absicherung bei Kontern. Kein per se untaugliches System, aber womöglich nicht die erste Wahl für ein möglicherweise verunsichertes Team, bei dem die Abstimmung hinten und vorne nicht passt.

Nicht falsch verstehen: Die Raute kann toll sein. Ein gesundes 96-Team, das die zu Saisonbeginn einstudiert und dann Schmiede rechts, Kiyo auf der 10, Prib halblinks, da ginge schon was. Und gegen Mainz war die Formation eher nicht das Problem, da hat so viel nicht funktioniert, man weiß gar nicht, wo man zuerst hindeuten soll.

2. Problem: Risikoabsicherung. Das erste, was Rettertrainer bei Abstiegskandidaten tun, ist, das Spiel zu simplifizieren und zu schauen, wie man das Ball gegen den Ball besser und damit die Abwehr sicherer kriegt. Unter Schaaf ist die Endverteidigung so katastrophal wie unter Frontzeck. Und die Anfälligkeit für Konter über die Flügel hat noch zugenommen. Es klaffen riesige Löcher im ballfernen Raum. Ballverluste im Mittelfeld führen zuverlässig zu Fouls in aussichtsreichen Freistoßpositionen, zu Zieler-Großtaten und, nun, Gegentoren.

3. Problem: Spielermaterial vs. System. Wir wollen nicht vergessen, dass das Team post-Korkut mit Blick auf starkes Flügelspiel umgebaut wurde. In der Raute sind Klaus und Maximin sinnlos, für Karaman gibt es keine Rolle, Bech ist nicht gut zu besetzen. Und Sané, der individuell stark, aber, uh, taktisch undiszipliniert ist, war auf einer Doppelsechs ein guter Kandidat, auf halbrechts hingegen ein ständiger Gefahrenquell.

Bonus-Problem: die Wechsel im Spiel. Ein bisschen vermessen würden wir es so charakterisieren: Ein sehr gewiefter Trainer, der zurückliegt, analysiert die Probleme seines Teams und wechselt dort aus, wo es hakt, bringt z.b. einen zusätzlichen Sechser, um die Spieleröffnung zu optimieren. Oder einen dynamischeren Flügelspieler, um zusätzliche Wege zu öffnen. Ein weniger taktisch orientierter Trainer nimmt einen Mittelfeldspieler raus und füllt vorne einen Stürmer auf, für mehr Präsenz. Da mit der Unterzahl im Mittelfeld dann spielerisch weniger zu gewinnen ist, folgen hohe Bälle und das Hoffen auf den Fußballgott. Supercallifragilistischfrontzeckalligetisch. Tja. Ganz so stumpf ist es bei Schaaf nicht, aber in allen drei Spielen der Rückrunde waren die Wechsel eher kontraproduktiv: Sobiech für Hoffmann gegen Mainz führte zu Schmiedebachs Versetzung nach hinten, womit dann Sobiech auf der 10 und Schmiede als alleinige 6 spielten, das sind nicht eben die Paradepositionen beider Spieler. Die beiden Einwechselungen des allzu wenig am Spiel teilnehmenden Saint-Maximim brachten nur die Hoffnung auf einen zufälligen Durchbruch, keine Verbesserung des Spiels. Warum Almeida zuverlässig durchspielt, ist auch ein ungelöstes Geheimnis. Naja, uns ist schon klar, dass die Doppelspitze Sobiech/Szalai zwei zu ähnliche Spielertypen zusammenbrächte. Aber trotzdem: Almeidas Arbeit für die Defensive ist ungenügend, er wirkt nicht fit und hat seit dem einen Tor eigentlich nichts von Wert mehr angeboten.

Abschließend: Wir können Schaafs Arbeit nicht bewerten, befürchten aber, dass der Mannschaft, anstatt dezidiert an ihren Stärken und Schwächen zu arbeiten, ein Plan übergestülpt wird, der vielleicht langfristig Früchte tragen kann, aber kurzfristig nicht zu passen scheint.

Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

7 Kommentare

  • JaboIbehre sagt:

    Faire Bestandsaufnahme, würde ich sagen.

    Was das Fazit angeht: Sehe ich ganz genauso. Dummerweise muss man feststellen, dass in unserer speziellen Situation kurzfristige Erfolge einem langfristigen Auf- und Umbau vorzuziehen sind…

  • you_never_walk_alone sagt:

    Ich teile die hier geäußerten Beurteilungen bis auf einen Punkt.
    Es handelt sich um sechs neue Spieler und nicht fünf:
    Hotaru Yamaguchi (Winterpause, Cerezo Osaka, zweite Liga)
    Iver Fossum (Winterpause, Strömsgodset IF)
    Ádám Szalai (Winterpause, TSG 1899 Hoffenheim)
    Marius Wolf (Winterpause, TSV 1860 München)
    Hugo Almeida (Winterpause, ohne Verein)
    Alexander Milosevic (Winterpause, Besiktas Istanbul, Leihe bis Saisonende)
    Wobei ich zudem Andre Hoffmann als unseren besten Neuzugang betrachte.

  • Cyric sagt:

    Ich schrieb es schon mal. Wie in Frankfurt stülpt Schaaf den Spielern eine Taktik über, die sie nicht können (Bech, Yamaguchi, etc.) oder nicht wollen (Sane). In Frankfurt hat die Mannschaft(!) nach 11 Spieltagen rebelliert und Schaaf zum Umdenken gezwungen. Diese Zeit haben wir nicht.

    Wenn die Spieler für ein Spiel mit Doppel-6 und schnellen Außen vorhanden sind, dann muss ein Trainer das Gott verdammt auch spielen! Alles andere ist in dieser Situation Wahnsinn! Mit Szalai hinter der Spitze (gerne Sobiech statt Almeida), Bech und Karaman auf den Außen und mit Sane und Schmiedebach auf der 6 – läuft. Dahinter die neue Innenverteidigung (Milosevic gefiel mir gut im ersten Spiel, genau wie Sakai als RV) und dann mit Prib als LV. Hoffmann auf die Bank – seine mangelnder Einsatz gegen Mainz war erbärmlich.

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