Bayer Leverkusen – 96 3:0

In Leverkusen gibt es für ein erneut mit Mittelfeldraute antretendes 96 trotz anfänglicher Stabilität und einzelnen Kontergelegenheiten nichts zu holen. Schmidts leicht stockende Gegenpressingmaschine hat mit Hannovers Umschaltbemühungen nur in der ersten Halbzeit ein paar Probleme.

Linksüberladungen und Tiefe gegen Kompaktheit und Konter

Hannover staffelte sich gegen den Leverkusener Spielaufbau in einem um Kompaktheit bemühten 4-3-1-2 und erwartete die Werkself kurz hinter der Mittellinie. Die Elf von Roger Schmidt verfolgte in der Anfangsphase den Plan, sich mit Linksüberladungen im Angriff festzusetzen und von dort Durchbrüche in die Tiefe zu suchen. Kampl kippte zu Beginn oft nach links heraus und schob von dort das Spiel mit Wendell und dem teilweise zurückfallenden Calhanoglu an. Hannover wurde so vor ein paar Zuordnungsprobleme im Halbraum gestellt oder öffnete wie schon gegen Darmstadt mit der engen Rautenformation die ballferne Seite. Gelegentlich ging der Schaaf-Elf bei Ballbesitz der Leverkusener auf dem linken Flügel die Zentrumskontrolle verloren wenn Hoffmann weit auf die Seite gezogen wurde, und Leverkusen konnte aus dem Rückraum heraus gefährlich werden. Kießling trat als halblinker Wandspieler auf und konnte mit zurückfallenden Bewegungen Raum für Calhanoglu, Chicharito und Karim Bellarabi öffnen.BB_B04

Bellarabi rückte von seiner rechten Zehnerposition weit ein und startete im Zentrum zwischen den Linien oder im linken Halbraum zu einigen Sprints in die Tiefe. Leverkusen versuchte auch mit längeren diagonalen Pässen direkt hinter die 96-Abwehr zu kommen und ihre Dynamik- und Geschwindigkeitsvorteile auszuspielen. Zwar sprangen dadurch ein paar Eckbälle oder Freistöße auf der linken Seite heraus, die bei Leverkusen prinzipiell gefährlich werden. Doch auch wegen leichter Ungenauigkeiten in den kleinräumig an-, aber weiträumig ausgespielten Angriffszügen wurde Leverkusen aus dem Spiel heraus zunächst nicht allzu gefährlich, blieb aber dominant und kontrolliert. Hannover konnte in den ersten 20 Minuten nur vereinzelt nach Umschaltangriffen vor das Tor gelangen, wenn das Leverkusener Gegenpressing im Zentrum mit kurzen Ablagen ausgespielt und der geöffnete Flügelraum von Sakai schnell erschlossen werden konnte.

Als Bellarabi weniger extrem einrückte und sich Kampl etwas zentraler orientierte, kam Hannover allerdings besser ins Spiel und wurde ansatzweise gefährlich. Mit einer etwas besseren Breitenabdeckung im Mittelfeld, dem kontrollierten Anlaufen der Leverkusener Außenverteidiger durch die Halbspieler und vor allem dem als Reaktion darauf sehr engagierten Füllen der Staffelungslücken durch Szalai, der in dieser Phase als linke Pressingspitze auftrat, konnte 96 die Gastgeber besser ausbremsen. Nach Balleroberungen konnten sich Schmiedebach, Prib und Szalai mit kurzen Pässen und Ablagen befreien, sodass die Schaaf-Elf zu zwei, drei vielversprechenden Umschaltangriffen kam. Die beste Gelegenheit ließ Almeida liegen, als er Yamaguchi im Strafraum übersah und aus ungünstiger Position selber abschloss. Mit einem nun vertikaler und etwas offensiver auftretenden Kramer und den guten Staffelungen auf zweite Bälle machte Leverkusen aber auch weiterhin Druck und konnte sich nach Verlagerungen auf den freien Wendell Raumgewinn erarbeiten. Am Ende des ersten Durchgangs kam Leverkusen nach einer offenbar einstudierten Eckballvariante zur Führung, als Toprak Gülselam geschickt wegsperrte, damit Hannovers Manndeckungsschema geknackt wurde und Kießling einköpfte.

Leverkusener Dominanz bei zweiten Bällen entscheidet das Spiel

Im zweiten Durchgang kam die Bayer-Elf vor allem dank ihres Verhaltens bei zweiten Bällen zu Torchancen. Mit meistens gut vorbereiteten langen Bällen, den temporeich einrückenden Zehnern und dem sehr umtriebigen Kampl konnten die Hausherren viele Abpraller und Ablagen aufsammeln, auf die 96 mit der Rautenstaffelung erneut nicht gut reagieren konnte. Hannover (gegen-)presste situativ höher und mannorientierter als noch in der ersten Halbzeit und erzwang so mehr lange Bälle, was unter anderem zu einer Großchance von Calhanoglu kurz nach Wiederanpfiff führte. Nach einem weiteren langen Ball (einem Freistoß) drang Kießling in den Strafraum ein und wurde gefoult, sodass Chicharito mit dem 2:0 die Vorentscheidung besorgen konnte.

Mit der folgenden Auswechslung Schmiedebachs zugunsten von Uffe Bech hatte 96 teilweise noch größere Balanceprobleme nach Ballverlusten, verfügte aber auch über etwas mehr Optionen in der Tiefe bei Umschaltsituationen. Leverkusen kontrollierte aber mit etwas aggressiveren Außenverteidigern weiterhin die Begegnung, kam immer mal wieder von außen in den Strafraum und verwaltete die Führung ungefährdet. Mit der Einwechslung Allan Saint-Maximins, der wie immer als unreifer Fummel-Stürmer auftrat und Szalai auf die Zehnerposition und Bech nach halblinks rücken ließ, stellte sich erneut keine Qualitätssteigerung des 96-Spiels ein. Bis zum Abpfiff hatte 96 folglich nur sehr wenige nennenswerte Offensivaktionen zu verzeichnen, bei denen die beiden vorne lauernden Stürmer allerdings zumindest Offensivpräsenz boten. Kurz vor Schluss traf Chicharito dann nach einem der sich häufenden Leverkusener Konter zum Endstand. Trotz einiger kleinerer Verbesserungen im Spiel gegen den Ball und einer teilweise saubereren Kompensation der Breitenstaffelungs-Nachteile der Raute war für 96 in Leverkusen also nichts zu holen. Vor allem in der zweiten Halbzeit wurden die wenigen sich bietenden Kontergelegenheiten schlecht (und in Unterzahl, außerdem in Unterzahl inklusive Almeida, also quasi Unterzahl-Unterzahl-Konter) ausgespielt, während die Anfälligkeit der Raute bei zweiten Bällen und die Absicherungsprobleme Leverkusen in die Karten spielten.

5 Kommentare

  • you_never_walk_alone sagt:

    Danke, dass Du Dir die Fahrt nach Leverkusen angetan hast. Jetzt mal Butter bei die Fische, Hand aufs Herz.
    Verstehe ich Dich richtig, dass Du Allan Saint-Maximins nicht in den Kader berufen würdest? Du Almeida nicht in die Startelf stellen würdest? Du mit einem Stürmer spielen lassen würdest (vermutlich sogar mit Sobiech statt Szalai)? Du also auch keine Raute spielen lassen würdest?
    Was bitte ist Dein erster Eindruck von Yamaguchi?

    • Jaime sagt:

      Nö; zumindest nicht bis zum Abpfiff; nicht unbedingt (eher nein); zumindest nicht gegen Zweite-Bälle-Konter-Mannschaften, ansonsten ist es nicht pauschal zu beantworten.
      Ist in Ordnung, kann mehr, muss sich aber natürlich auch noch weiter an die Liga und so gewöhnen.

  • […] und Kimmich (Spielverlagerung), Mainz – Gladbach (Spielverlagerung), Leverkusen – Hannover (Niemals Allein), Stuttgart – Hamburg (Spielverlagerung), Wolfsburg – Köln […]

  • Cyric sagt:

    Wieder mal eine gute Analyse. Deine Meinung zu Allan Saint-Maximins teile ich leider. Abgesehen von den ersten paar Kurzauftritten (incl. Saisoneröffnungsspiel) ist das brotlose Kunst, die häufig Unterzahl bei der Defensivarbeit hervorbringt.

    Frage: siehst du eine spielerische Verbesserung unter Schaaf?

    Ich nicht. Mit einem Szalai als HS / 10er wäre meines Erachtens das Spiel von Hannover unter Frontzek besser, als es dieses mit der Schaaf’schen Raute jemals werden wird. Hierfür fehlt uns einfach der entsprechende 6er und die Zeit darauf zu warten, dass Almeida im Saisonverlauf mal ansatzweise fit wird.Warum Sobiech nicht im Sturmzentrum mit Szalai steht, wenns denn schon eine Raute mit 2 Stürmern sein soll, ist für mich nicht nachvollziehbar.

    Mit der Raute ist ein Spieler wie Sane überflüssig im Kader – den Frontzek auf der Doppelsechs sehr gut eingebunden hatte. Sanes Defensivspiel ist immer mal wieder zu behäbig, da braucht er einen lauf- und kampfstarken Nebenmann. Andreasen wie Schmiedebach können diese Rolle übernehmen.

    • Jaime sagt:

      Bisschen blöd, wenn man noch das Mainz-Spiel im Kopf hat, aber gegen Darmstadt war es mit dem Ball schon deutlich besser als alles unter Frontzeck. Und im Vergleich dazu waren wiederum gegen Leverkusen ein paar Sachen etwas besser, vor allem nach langen Bällen und im Pressing. Letzteres war heute allerdings nicht mehr so gut… Insgesamt würde ich trotzdem, der heutigen Vorstellung zum Trotz, von einer Verbesserung sprechen. Da greift natürlich auch noch nicht alles, deshalb sieht es vielleicht noch nicht gut genug aus.
      Dass ich generell aber kein Fan der Raute bin, hab ich ja schonmal geschrieben. Vielleicht überbewerte ich daher auch ein paar der Probleme und Verkenne ein paar Vorteile… man weiß es nicht. Aber Sobiech würde ich auf jeden Fall anstelle von Almeida mehr spielen lassen. Almeida bietet seit seinem Tor im Prinzip nichts an. Nur Präsenz, aber die setzt er meistens sehr schlecht ein. Keine Unterstützung im Pressing, von einzelnen Szenen abgesehen, wenig Präsenz in die Tiefe, kaum Wandspielen… Szalai hingegen gefällt mir bisher besser als gedacht, sehr arbeitsam, aber auch oft unglücklich. Nur weiß ich nicht, wie ein Duo Sobiech-Szalai funktionieren würde, die sind sich mMn zu ähnlich, das beißt sich vielleicht zu sehr.
      Und Sané war unter Frontzeck auch nicht wirklich gut eingebunden, aber er ist ein Spieler, der immer dann gut aussieht, wenn das Spiel an sich schlecht ist – insofern kam ihm unser Spiel in der Hinrunde sehr entgegen ;).

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