Hamburger SV – 96 1:2

Hamburg, da war doch was: Wo vor neun Monaten der (wie wir heute wissen) umfassende Niedergang von Hannover 96 eingeleitet wurde, wollten Michael Frontzeck und seine Mannschaft mit ein paar Glückspunkten den Boden für die neuerliche Illusion einer nachhaltigen fußballerischen Entwicklung bereiten – mal wieder. Und dann klappt das auch noch…

Ungünstiger Spielverlauf führt zu gewohnt schlechter 96-Leistung

Beide Mannschaften traten mit ähnlichen Plänen auf und füllten diese nur in Details unterschiedlich aus. Beide Mannschaften hielten im Aufbau ihre Außenverteidiger tief angebunden und waren eher um Sicherheit bemüht. Bei den Hamburgern schoben die beiden Flügelspieler jedoch oft ins Zentrum ein, und vor allem Müller positionierte sich oft tief, um Diekmeier weit vorschieben zu lassen. Wenn sich die Hamburger an hohem Pressing versuchten, wusste sich Hannover 96 über die Bildung einer etwas improvisierten Torwartkette und Zielers Ruhe am Ball sowie seiner technische Klasse zu befreien. Bei den Hamburgern kippte in den immer mal wieder kurz eingestreuten Phasen des hohen Zustellens durch 96 Díaz nach rechts heraus, um sich über Müller und den unterstützenden Holtby flach aus dem Druck zu befreien. Spätestens nach dem frühen Führungstor für die Gastgeber, das nach einem Einwurf und der zu schlecht aufeinander abgestimmten 96-Verteidigung fiel, traten die Hamburger aber überwiegend in einem leicht asymmetrischen 4-4-2-Mittelfeldpressing mit einem aktiveren und höheren Nicolai Müller auf. Hannover versuchte wie schon zuletzt mit verschiedenen Zurückfallbewegungen und unterschiedlichen Bewegungsmustern im Mittelfeld für Verbindungen in den Angriff zu sorgen, scheiterte dabei aber meistens an der schlechten Abstimmung, sehr ungenauen Pässen und vor allem an mangelnden Folgebewegungen der Mitspieler. Zunächst übernahm Manuel Schmiedebach die ballverteilende Rolle aus dem Zentrum, während Salif Sané in Erwartung langer Bälle oder zum Unterstützen auf den Flügeln in die letzte Linie aufrückte. Auch Hiroshi Kiyotake bewegte sich teilweise ballfordernd ins Mittelfeld zurück, wie auch Leon Andreasen sich zunehmend halbrechts etwas tiefer anbot und Sakais weites Aufrücken absicherte. Mit zunehmender Spielzeit kippte Sané nach rechts heraus, um den Aufbau zu unterstützen und Schmiedebach trat mit dem üblichen Nachstoßen in beide Halb- und Flügelräume in Erscheinung.

Hamburg_BB96Abgesehen von ein paar Einzelszenen, in denen 96 den Ball auf dem Flügel zumindest nicht direkt verlor, nutzten diese Bewegungen nichts. Generell stellten sie ohnehin nur die Vorbereitung für teilweise selbsterzwungene simple Flügelangriffe und verzögerte lange Bälle dar. Mit einzelnem mannorientierten Aufrücken der zentralen Mittelfeldspieler und dem Defensivfleiß von Schipplock und den Flügelspielern hatte Hamburg mit ihrem insgesamt ansprechenden Pressing kaum Mühe, die 96-Angriffsversuche zu verteidigen. Abgesehen von einem hoffnungslosen Distanzschuss durch Sané und einer fast gefährlichen Albornoz-Flanke fand die Frontzeck-Elf offensiv nicht statt. Somit erschien Hamburg auch ohne große eigene Errungenschaften im Ballbesitz dauerhaft dominant. Sie nutzten allerdings in einzelnen Angriffen die Passivität und Zusammenhanglosigkeit des 96-Pressings, konnten sich recht problemlos mit Ablagen und Seitenwechseln bis ins Angriffsdrittel durchspielen und zeigten dann vor dem Tor sogar konstruktive Wege zum Abschluss. Nach dem Führungstor konnten sie sich aus der kompakteren Formation zudem auf einzelne Umschaltangriffe verlassen. Doch die Rothosen verpassten es, die Höhe der Führung dem Spielverlauf anzupassen.

Glücklicher Spielverlauf führt zur Verklärung der 96-Leistung

Abgesehen von der üblichen Intensität, mit der Uffe Bech sein Spiel auslegt, und abseits der brotlosen Kringel, mit denen Allan Saint-Maximin seine Flügelsprints abschließt, änderte der Doppelwechsel nicht viel an der 96-Spielstruktur. Taktikpsychologisch führten die beiden quirligen und dynamischen Spielertypen auf den Flügeln dann aber wohl zu einer höheren Gesamtaktivität der Hannoverschen Mannschaft und mehr Druck im Spiel nach vorne. Ein schmeichelhafter Strafstoß nach einem der wenigen ordentlichen flachen Seitenwechsel sorgte nach etwa 15 Minuten für den 96-Ausgleich und für eine neue Spieldynamik. Die Hamburger agierten in Folge des Gegentores unnötig überhastet und spielten ohne Not frühzeitig lange Bälle in die Spitze. Zudem rückten die Flügelspieler in der Phase nach dem 1:1 weniger ein, sodass die HSV-Elf fast wie 96 aussah. Ein gelungener Vorstoß von Salif Sané, der den Ball auf Kiyotake am rechten Strafraumeck spielte und dessen Flanke einköpfte, drehte dann das Spiel. Hamburg packte die Brechstange zu spät wieder ein und kam gegen Hannovers immer tiefer stehendes 4-5-1 mit überraschenden Flachpässen auf die zurückfallenden Stürmer noch zu Offensivpräsenz, flankte insgesamt aber auch zu viel, um wirklich torgefährlich zu werden. Abgesehen von einem guten, wenn auch zufällig zustande gekommenen, Abschlussansatz im Strafraum und einem verwehrten Strafstoß kam der HSV nicht mehr klar vor das 96-Tor. Und wie es eben immer so ist, wenn man nicht weiß, warum genau eine ziemlich schlechte Mannschaft mit einem einzigen Torschuss einen zu geringen Rückstand gedreht hat: Die Körpersprache war’s. Jedenfalls reichten ungefähr 10-15 ordentliche 96-Minuten für einen neuerlichen Auswärtssieg gegen teilweise ordentliche Hamburger, die sich das Spiel selber nahmen.

4 Kommentare

  • JaboIbehre sagt:

    In Erwartung einer erneut erbärmlichen Vorstellung und vor allem einer Niederlage habe ich mir das Spiel heute nicht angeschaut.

    Das letzte 1:2 gegen den HSV, sein Zustandekommen und was dieses Spiel rückschauend aus unserer Rückrunde gemacht hat, wurmt mich heute noch maßlos. Dieses Spiel ärgert mich mehr als jedes andere in über 20 Jahren 96 gucken. (Und ich erinnere mich an einige unfassbar trostlose und nervenzerfetzende Niederlagen, besonders Anfang/Mitte der 90er…)

    Deshalb muss ich heute und nachdem ich gerade eine Zusammenfassung gesehen habe, auch sagen: Trainerleistung, Mannschaftsleistung – mir egal. Blende ich komplett aus für diese Woche.

    Es fühlt sich einfach mal unheimlich gut, ja, gerecht an, heute sehr glücklich gegen die Hamburger gewonnen zu haben. Ich bin einfach nur zufrieden. 🙂

  • […] andere aufspürte, wird Sportdirektor bei 96 (Spiegel). Auf dem Platz dagegen: Alles beim Alten. Niemals allein erläutert einmal mehr, dass Hannover »gewohnt schlecht« sei und nimmt den 2:1-Sieg in Hamburg […]

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