1. FC Köln – 96 0:1

Köln und 96 liefern sich im Sonntagsspiel einen erbitterten Kampf – gegen das beständig drohende Zufallen der Augen vor lauter selbsterzeugter Langeweile. Aber sogar in der Hinsicht lässt sich kein Sieger ermitteln, außer man möchte Hannover 96 als Gewinner bezeichnen.

Igittigitt, ein Fußball

Hannover 96 folgte dem vor der Länderspielpause eingeschlagenen Weg und setzte auf passive Stabilität gegen den Ball. In einer einigermaßen kompakten, einigermaßen passiven 4-4-2-Formation staffelte sich die Frontzeck-Elf um die Mittellinie herum und ignorierte die Kölner im Spielaufbau. Mathias Lehmann ließ sich zentral zwischen die Innenverteidiger oder auf die Position von Rechtsverteidiger Olkowski zurückfallen, um den Ball aus der Tiefe zu verteilen. Die Außenverteidiger rückten erst bei Pässen ins Zentrum weiter auf, während Gerhardt um Verbindungen ins Mittelfeld bemüht war und zwischen den 96-Spielern nach Raum suchte. Osako ließ sich relativ weit und oft auch klug in seitliche Zonen zurückfallen, was bei 96 für mehr Probleme sorgte. Köln kam mit dem dann aufrückenden Lehmann, Gerhardt und Osako über kurze Kombinationswege zwischen den tief stehenden Hannoveranern zu Raumgewinn und konnte seine aufrückenden Flügelspieler gut einsetzen. Dabei nahm der Effzeh das Tempo der Tiefenläufe gut mit und kam so zu ein paar Durchbrüchen, deren anschließende Hereingaben auch nicht allzu ungefährlich blieben. Zudem streuten sie viele lange Flügelwechsel ein, um anschließend Modeste im Strafraum zu bedienen. Nur bei flachen Anspielen auf die noch tiefer stehenden Außenverteidiger wusste das 96-Pressing einigermaßen zu überzeugen, wenn das Anlaufen des Flügelspielers vor allem durch Schmiedebach und die Außenverteidiger recht gut unterstützt und abgefangen wurde. Einer ähnlichen Szene entsprang folglich auch die einzige 96-Torchance nach einer Balleroberung von Schmiedebach, als die Kölner von 96 auf dem Flügel ausgebremst wurden und sich flach befreien wollten. Insgesamt agierte 96 aber innerhalb der Formation wie gewohnt zu passiv, lediglich der gewohnt omnipräsente Schmiedebach und der ein paar Mal etwas unorthodox nach innen pressende Andreasen streuten Intensität ein. So ließ 96 die Kölner oft gewähren und ermöglichte ihnen, trotz eher durchschnittlicher Ballbesitzabläufe, mit freien Pässen zwischen die Linien in den Angriff zu kommen. Die folgenden Eins-gegen-Eins-Duelle auf dem linken Flügel zwischen Sorg und Bittencourt, den Köln überwiegend ansteuerte, bildeten die gefährlichsten Situationen aus dem Spiel heraus. Aber auch das erneut sehr schlechte Ballbesitzspiel Hannovers trug zur Kölner Überlegenheit bei.

Ballbesitz FCKö

Ungefähre Strukturen bei Ballbesitz Köln. Hectors Einrücken erst in der zweiten Halbzeit mehr zu sehen, Osako mit sehr wichtiger Rolle für gute Ballbesitz-Momente des Effzeh.

Im Spielaufbau ließ sich zu Beginn der Partie Kiyotake weit zurückfallen und bot sich für kurze Pässe des herauskippenden Sané an. Die Außenverteidiger blieben gegen das Kölner 4-4-1-1 zunächst noch tiefer angebunden, Schmiedebach kippte gelegentlich zentral ab. Die kurzen Freilaufbewegungen, die vereinzelt auch von Karaman zu sehen waren, wurden von Köln kurz mannorientiert verfolgt, sorgten aber trotzdem für verhältnismäßig produktive 96-Momente aus dem Spielaufbau. Doch bereits nach etwa einer Viertelstunde stellte Kiyotake sein Zurückfallen ein und wurde passiver, sodass in Ermangelung guter Staffelung wieder das übliche Bild zu sehen war: 96 bolzte den Ball lang nach vorne, wenn er überhaupt mal in den eigenen Reihen war. Nur die guten Bewegungen Schmiedebachs, mit denen er Kiyotake eine gewisse Struktur aufzwang, sorgten für einzelne gute Stafetten und Offensivpräsenz. Die frühe Verletzung Karamans, der mit zwei einrückenden Dribblings gute Ansätze gezeigt hatte, und noch viel mehr die damit verbundene Einwechslung des eher in der Leichtathletik beheimateten Felix Klaus trugen ihren Teil zum immer schlechter werdenden 96-Spiel bei. Die Kölner kamen daher über Ablagen und gute Breitennutzung zu ein paar vielversprechenden Kontern über die linke Seite, verwerteten diese aber nicht zu einem Treffer.

Igittigitt-Fußball

Wohl auf die fälschliche Analyse eines individuellen Versagens Oliver Sorgs zurückzuführen Grund einer Verletzung, wurde zum Wiederanpfiff Hiroki Sakai auf die rechte Abwehrseite beordert. 96 streute in der zweiten Halbzeit Phasen des hohen Pressings ein, bei dem vor allem durch das intensivere und aktivere Anlaufen durch die 96-Flügelspieler deutlich mehr Zugriff und Druck erzeugt wurde. Köln hatte dadurch mehr Probleme als zuvor, den Ball planvoll in den Angriff zu befördern und musste noch früher auf lange Bälle zurückgreifen. Ein früher Doppelwechsel sorgte dann für eine andere Spielstruktur beim Gastgeber. Milos Jojic rückte als sehr offensiver Zentralspieler vor allem auf der linken Seite weit auf, um dort mit Bittencourt und dem jetzt einrückenden Hector für Durchbrüche zu sorgen. Simon Zoller, der Risse auf die Rechtsverteidigerposition verdrängte, besetzte den rechten Flügel und rückte oft als zweiter Stürmer ein. Durch die Auswechslung Osakos gingen aber auch immer mehr die Kombinationsmöglichkeiten der Kölner verloren und die Gastgeber verlegten sich mehr auf den tiefstehenden Risse sowie lange Bälle. 96 trat mit Ausnahme einzelner Schmiedebach-Kiyotake-Szenen und schlecht ausgespielter Konter nicht mehr in Erscheinung und stellte sich wieder hinten rein. Köln brachte mit Hosiner noch einen weiteren Spieler für die letzte Linie, bediente damit die immer früher gespielten langen Bälle und kam nach einem überraschenden Diagonalpass von Risse zur großen Chance zum Ausgleich, doch Zieler vereitelte Hosiners Möglichkeit. Felipe kam zur Stärkung der zentralen Lufthoheit für Sobiech ins Spiel, sodass Schmiedebach und Kiyotake in der vordersten Linie auftraten. Das Gebolze der Kölner führte noch zu zwei guten Kopfballgelegenheiten, doch Zieler hielt den Sieg fest.

Alles in allem bleibt zu Hannover 96 nicht mehr viel zu sagen. Köln war trotz guter Ansätze im Ballbesitz durch das Zentrum in der ersten und über die linke Seite in der zweiten Halbzeit insgesamt maximal durchschnittlich, aber 96 war trotzdem noch deutlich schlechter. 96 bietet im Moment absolut nichts an: wenig Pressing, wenig Aktivität, wenig Harmonie in der Endverteidigung, wenig Durchschlagskraft bei Kontern, wenig Ideen im Spielaufbau, wenig strategische Qualität – die Transformation hin zu einer englischen Mannschaft ist nahezu abgeschlossen. Aber wenigstens ist 96 darin konsequent: Wenn fußballerisch nichts läuft, greift man eben auf andere Körperteile zurück. Ein Tor mit der Hand sorgt dafür, dass sich an der skizzierten fußballerischen Degeneration auch in den nächsten Wochen nichts ändern wird.

13 Kommentare

  • Jan sagt:

    Ich möchte etwas zu dem Tor sagen. Ich verstehe die Aufregung nicht so ganz.
    Hätte Schulle den Ball nicht reingemacht, hätte es nach dem Spiel geheißen: 96 verliert 1:0, hat aber die größte Torchance des Spiels kläglich vergeben.
    Ich behaupte mal: In 8 von 10 Fällen wäre der Ball in vergleichbarer Situation regulär ins Tor gegangen – mit dem Bauch, Oberschenkel oder welchem Körperteil auch immer. Im 9. Fall hätte Frank Mill oder ein anderer Unglücksrabe es fertiggekriegt, den Ball über die Latte zu befördern und im letzten Fall halt irregulär mit Hand oder Arm ins Tor – dann ist halt die Frage, ob der Schiri auf Tor „erkennt“ oder nicht.

    Es war jedendalls ein Riesentorchance, die regulär entstanden ist.

    Die Torchance wurde von Köln zugelassen und von 96 rausgespielt, der Rest ist Statistik. Bekanntermaßen benötigt man ca. 3,x Torchancen für ein Tor, welche dieser 3 Chancen dann reingeht, ist statistisch gesehen Zufall – eine geht gegen den Pfosten, eine wird großartig pariert, die die andere geht rein.

    • Jan sagt:

      Nachtrag:L Unverständlich finde ich, dass der Schiri bei all den Protesten und dem seltsamen Verhalten von Andreasen, nicht zu Andreasen gegangen ist und ihn gefragt hat, ob er den Ball, wie die Kölner behaupten würden, mit der Hand gespielt habe.

    • Hendrik Heisterberg sagt:

      Der eigentliche Fehler (meiner bescheidenen Meinung nach): Sobiech hätte Andreasens Weg gehen und die Chance antizipieren müssen. Das war eine dieser Szenen, in denen ich ganz einfach einen abgezockten Stürmer mit Torriecher vermisse.

    • Jan sagt:

      Ach ja Tore. Ich neige ja zu der Ansicht, dass einzelne Spiele durch Tore, sprich das Torverhältnis entschieden werden. Der Gegner kann 5 Hochkaräter vergeben, man selbst nutzt die einzige eigene Torchance des Spiels zum Siegtor. Die Platzierung in der Endtabelle aber durch das Torchanchenverhältnis entschieden wird. Die Mannschaften, die die meisten Torchancen erspielt haben – heutzutage kreiiert – und im Verhältnis dazu die wenigstens Torchancen zugelassen haben, stehen vorne, die anderen hinten.
      Aus der Perspektive ist 96 vermutlich ein sicherer Absteiger.

  • Jan sagt:

    „Wohl auf die fälschliche Analyse eines individuellen Versagens Oliver
    Sorgs zurückzuführen, wurde zum Wiederanpfiff Hiroki Sakai auf die
    rechte Abwehrseite beordert.“
    Frontzeck sagte auf der PK, dass so Sorg aufgrund von Verletzung ausgewechselt worden sei: https://www.youtube.com/watch?v=ogtKCDlEJB8

    • Jaime sagt:

      Ah, ok, Danke. PKs schaue ich nicht mehr, daher bleiben mir die
      tiefenscharfen Analysen des Geschehens verborgen. War ich wohl zu
      voreilig.

      Aber sehr gut: Jetzt muss sich nur noch Schmiedebach ne Sperre abholen
      und Albornoz verletzen, damit wir endlich die Startelf von sämtlicher
      spielerischer Klasse befreit haben. Drei Muskelverletzung in drei Tagen,
      das nenne ich eine sagenhafte Bilanz.

      • Jan sagt:

        Soll ich Dir sagen, was ich kopfschüttelnd zu mir selbst sagte, als ich die Verletzung von Karaman bei seinem Schuss sah: „Wohl nicht aufgewärmt vor dem Spiel.“ Frage mich jedenfalls (als Laie), ob solche Verletztungen sich nicht durch richtiges Training vermeiden ließen.

      • Jaime sagt:

        Ja, man kann zumindest die Wahrscheinlichkeit dafür senken. Durch
        richtiges Training. Das macht man bei 96 aber nicht mehr, daher sind die
        Ausfälle Benschops, Sorgs und Karamans keine große Überraschung. Wundert mich nur, dass sich Felipe noch nichts neues eingefangen hat, der ist dafür ja sehr anfällig (gewesen, bis ein gewisser Trainer ihn wieder hingekriegt hat…).

        Gibt zu dem Thema eine gute Serie auf Spielverlagerung, mit vielen wissenschaftlichen Belegen und plausiblen Theorien.

      • Jan sagt:

        Ja, ich habe davon gehört und ich vermute, dass unter Frontzeck
        darauf seitens des Trainerstabs nicht drauf geachtet wird. Aber wäre ich Spieler, würde ich selbst darauf achten, bestimmte Übungen zu machen, um Museklverletzungen vorzubeugen.

      • Jaime sagt:

        Das kann man abgesehen von der Ernährung beispielsweise nicht, es geht dabei ja um richtige Steuerung der Belastung in Anbetracht des Spielrhythmus‘ und der körperlichen Anforderungen der Spielweise. Das müssen die Spieler auch nicht können, weil es ausschließlich die Aufgabe des Trainerstabes ist. Die sind dafür – zumindest theoretisch – ja nicht nur verantwortlich, sondern auch ausgebildet.

  • Schlaudrauf sagt:

    Mein erster Kommentar hier, deshalb erstmal danke für die stets lesenswerten Analysen hier (vor allem der Artikel zum bitteren Aus von Korkut hat mir aus der Seele gesprochen), dass die bei der aktuellen Spielweise immer knapper werden, kann ich gut nachvollziehen.
    Allerdings habe ich in diesem Spiel 10-15 anständige Minuten zu Beginn der zweiten Halbzeit gesehen, dass die nicht reichen und auch daran lagen, dass Köln komplett den Faden verloren hatte, sei mal dahingestellt.
    Für mich ist der Abschied von Korkuts flexiblem Ballbesitzspiel enorm bedauerlich, jedoch würde ich mich auch mit einem funktionierenden Konterspiel zufrieden geben. Das Frontzecks Tatik wenig planvoll ist und enorm naiv ist, beschreibt ihr ja wöchentlich präzise. Ich kann allerdings am wenigsten nachvollziehen, wie so (aus meiner Sicht) presssingstarke Mittelfeldspieler wie Sané, Schmiedebach, (mit Abstrichen Andreasen) und vorne der athletische Sobiech durch diese planmäßige Zweikampfverweigerung bis beinahe zum Strafraum komplett aus dem Spiel genommen werden. Hier ist doch eindeutig eine der wenigen stärken des Kaders und sie wird vollständig ignoriert. Das führt dazu, dass der Gegner bequem so dicht ans Tor kommt, dass er mit ein oder zwei gelungen 1-1-Situationen zum Torabschluss kommen kann und dass das gegen (manchmal) wackelige Außenverteidiger oder den (im Stellungsspiel starken) eher langsamen Schulz schnell mal passiert, hat man auch gegen Köln gesehen. Wie gut die 96er eigentlich dazwischen gehen können hat man dann wie gesagt Anfang der 2. Halbzeit gesehen. Für mich ist das sehr sehr grober Unfug, auch wenn ich ihn nicht so adäquat beschreiben kann wie ihr 😀

    • Jaime sagt:

      Danke! Ja, die Anfangsphase in der zweiten Halbzeit war etwas besser (mehr Zugriff durch die Flügelspieler, etwas mehr Aktivität – leider nur sehr individuell durch Schmiedebach -, etwas höheres Pressing). Bzw. man hat Köln eben weniger Zeit gelassen, wie auch die meisten anderen „schlagbaren“ Gegner haben die mit dem Ball auch Probleme, wenn auch nicht so große wie wir. Dabei waren auch die ersten Spielminuten ja noch halbwegs brauchbar, bis Karaman raus musste und Kiyotake keine Lust mehr hatte. Auch da geht auf jeden Fall mehr, ohne dass man 20 Millionen ausgeben oder sich „zur Barcelona-Kopie“ machen müsste…
      Wenn man wenigstens einen guten Plan zur Balleroberung hätte, könnte ich mit dem Konterzeug auch leben, siehe Umbruchs-Text. Aber im Moment wird leider auf Stabilität durch Passivität und Kompaktheit gesetzt, und man muss eher auf Ballverluste des Gegners hoffen, als auf erzwungene Balleroberungen. Dann fangen die Konter dadurch aber auch meistens tief in der eigenen Hälfte an, und wenn man dann Kiyotake ins Laufuell schicken muss, wirds bitter. Man könnte natürlich auch weiterhin kompakt und gleichzeitig 10 Meter höher stehen und mehr Druck auf den Ball geben. Aber im Moment scheint man wenig Raum zwischen Tor und Abwehr zu bevorzugen. Ziemlich riskant/ fahrlässig/ unklug aus meiner Sicht, aber der Gedanke dahinter ist vielleicht, dass man so den Gegner entschleunigt und sich selber weniger unter Druck setzen lässt. Dazu würde auch der grundsätzliche Trend zur Mannorientierung passen, sowohl beim Herausrücken, als auch auf den Flügeln. Möglichst viel reagieren und auf die Robustheit von Marcelo, Schulz, Sané, Albornoz setzen. Bisher geht das ja aufs Ergebnis bezogen sogar einigermaßen, aber natürlich fallen unter normalen Umständen sowohl gegen Werder, als auch gegen Köln bei den Chancen zwei Tore. Und dann sinds plötzlich nur noch 2-3 Punkte aus drei Spielen… 😉

      • Schlaudrauf sagt:

        Das ist auch meine Meinung! Mit der Taktik sind Gegentore quasi vorprogammiert. Das kann nicht immer so glücklich ablaufen wie die letzten drei Spiele.
        Der Platzwart fasst Anspiele auf Kyiotake meiner Meinung nach auch schön zusammen:
        „Zur Überraschung vieler Experten scheinen die „Roten“ unter Frontzeck
        endlich zu ihrem Spielsystem gefunden zu haben. Es ist bundesligaweit
        einmalig und ganz einfach. Es heißt: Alle Bälle auf Kiyotake. Und zwar
        so schnell wie möglich. Gern genommen: hohe Bälle, Kiyotake ist immerhin
        1,72.
        Kiyotake nicht in der Nähe? Dann alle Bälle auf den Oberrang. Das
        System hat den Vorteil, es ist im Gegensatz zur 10-Sekundenregel von
        Slomka nicht zu kopieren.“ (http://hannover.sportbuzzer.de/bundesliga/artikel/der-platzwart-baggern-pritschen-und-ein-spieler-namens-manuell/56891/72)

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