96 – FC Augsburg 2:0

96 gewinnt gegen Augsburg und Daniel Baier. Wie das geht? Zieler, chilenischer Spielaufbau, Gegenpressing, Tor nach einer Ecke, Zieler, Stindl, Elfmetertor. Das Resultat: Augsburg hat die guten Chancen, Hannover macht die Tore. Hannover ist von der Spielanlage her nicht mehr allzu weit von den Mannschaften entfernt, die in der Regel in der avisierten Tabellenregion landen und kann es sich leisten, Spieler wie Bittencourt und Prib völlig auf der Bank sitzen zu lassen. Nicht schlecht für einen Dienstagabend.

Richtiger Pfeilkrieg zwischen Stindl und Baier. Wer da der Sieger ist, muss jeder selber entscheiden.

Die erste Halbzeit

Augsburg bestach zu Beginn der Partie mit einem variablen Pressing. Vor allem in der Anfangsphase waren verschiedene Herangehensweisen gegen den Hannoverschen Spielaufbau erkennbar, mit denen sie einen für 96 schwierigen und inkonstanten Rhythmus erzeugten. Oft traten sie in einer relativ klaren 4-1-4-1-Staffelungen mit Fußballgott Baier als tiefstem Mittelfeldspieler in einem eher hohen Mittelfeldpressing an, in den noch höheren Phasen ihres Spiels gegen den Ball zeigten sie ein entweder asymmetrisches 4-4-2 mit dem deutlich höheren Esswein links oder ein leicht verschobenes 4-3-3. Eine Misch- oder Übergangsform ihrer Formation bei gegnerischem Ballbesitz bestand aus einem ebenfalls relativ hohen 4-4-2 mit Altintop neben Djurdjic als Pressingspitzen, die aber wiederum in Sachen Intensität des Anlaufens ebenfalls variierten. Der konstruktive Spielaufbau wurde 96 nicht nur durch die verschiedenen Herausforderungen, sondern auch noch durch zwar relativ klare, aber immer wieder passend flexibel ausgelegte Mannorientierungen von Seiten der Augsburger erschwert. Vor allem auf den Flügeln und in fortgeschritteneren Phasen des Spielaufbaus auch im Sechserraum gab es mehr oder weniger kurzzeitige klare Zuordnungen zu den Gegenspielern.

Augsburg störte also zu Beginn relativ hoch, stellte aber in vielen Phasen keinen allzu aggressiven Zugriff in der vordersten Linie her und war vorrangig auf Raumkontrolle bedacht (auch bedingt durch eine eher enge vordere Linie in den höheren Pressingphasen). Das gab 96 die Gelegenheit, eine schöne Torwartkette mit Zieler, den beiden Innenverteidigern und wie zuletzt bereits gesehen dem näher angebundenen Albornoz aufzubauen. Neben einem der beiden Sechser ließ sich gelegentlich auch Lars Stindl wieder zurück in den Sechserraum fallen, um die Anzahl der Optionen im Aufbau zu erhöhen. Miiko Albornoz war im weiteren Verlauf sehr aktiv im Spielaufbau und vollzog den Übergang in die Offensive dabei immer wieder mit dem teilweise sehr weit zurückfallenden Joselu und dem sich klug im Halbraum positionierenden Kiyotake. Generell agierte Augsburg gegen den Ball mit der gewohnten Intensität und ließ vor allem auf den Flügeln dem Ballführenden wenig Zeit.

Insbesondere in den ersten 15 bis 20 Minuten war die Ballzirkulation Hannovers dennoch sehr stark, weil die sehr flexiblen Briand, Kiyotake und Joselu immer wieder bestimmte Räume überluden (rechts teilweise unterstützt durch Schmiedebach, links durch den im Ballbesitz hoch stehenden Albornoz) und mit dem ohnehin omnipräsenten Stindl die kurzen Abstände gut durchkombinierten. Dabei waren die 96-Spieler vor allem zu Beginn des Spiels nicht auf eine bestimmte Zone festgelegt, sondern bewegten sich gut abgestimmt und harmonisch. Zwar scheiterten sie oft daran, dass durch die Flexibilität und eine eher lose Positionsbesetzung im Zentrum ein wenig die Durchschlagskraft sank und Augsburg eher unproblematisch verteidigen konnte. Aber der große Vorteil bestand darin, dass das Gegenpressing in diesen lokalen Überzahl-Räumen sehr griffig und vor allem effektiv gestaltet werden konnte. Die kurzen Abstände im Kombinationsspiel wurden nach Ballverlusten zu kurzen Zugriffswegen auf den nun ballführenden Gegenspieler. So war 96 durch die gute Positionierung im Ballbesitz auch wieder gegen den Ballverlust und den Augsburger Konter abgesichert und kontrollierte die Partie weitestgehend in allen Phasen. Doch in einzelnen Situationen gelang dies natürlich nicht gut genug, sodass Augsburg mit den bekannten Kontern über die schnellen und einrückenden Flügelspieler durchaus gefährlich wurde, die sehr gute Gelegenheit zur Führung aber dank Weltmeister Zieler nicht nutzen konnte. Nach Ballgewinnen schaltete Augsburg oft mit langen Bällen auf den teilweise ausweichenden Djurdjic oder eben mit schnellen Gegenangriffen durch das Zentrum über Feulner und Altintop um. Am Ende letzterer Ansätze stand oft der Versuch des Schnittstellenpasses auf die Außenspieler. Dabei kam ihnen in Ansatz in ein paar Szenen entgegen, dass die neu zusammengestellte 96-Defensive ein paar unklare Stellungen erzeugte, aber durch die körperliche Überlegenheit und die Abgeklärtheit von Marcelo und Salif Sané im Zweikampf blieben sie nahezu alle folgenlos. Grundsätzlich agierte 96 wie gewohnt im 4-4-2 (4-4-1-1) gegen den Ball, schob die Abwehr weit nach vorne und störte den Gegner früh im Spielaufbau. In ein paar Situationen schob jedoch auch der rechte Flügelspieler (Briand und Kiyotake tauschten zwischenzeitlich die Positionen) etwas stärker auf, möglicherweise um die schlechtere Verbindung des Augsburger Spiels auf der linken Seite (Esswein teilweise zu unbeteiligt) auszunutzen und dortige Ballverluste zu provozieren. Bei schnellen und flachen (Konter-) Angriffen der Augsburger offenbarten sich zwar in Ansätzen (und auch darüber hinaus) Stabilitätsprobleme im 96-Zentrum und Kiyotake ließ sich gelegentlich von einem Gegenspieler zu sehr mannorientiert auf Höhe der Viererkette ziehen, aber diese zumindest im Ansatz gefährlichen Situationen klärte die Abwehr unaufgeregt.

Der Sechserraum bei 96 wurde von Maurice Hirsch und Manuel Schmiedebach wie bereits im Spiel gegen Frankfurt besetzt. Es gab phasenweise keine klaren Rollenverteilungen und in vielen Situationen hielten die beiden kleinen Sechser einen recht engen Abstand zueinander. Ihr Verhalten im Umschalten war von einer recht flexiblen Raumbesetzung gekennzeichnet und sie erfüllten ihre Aufgaben weitgehend im Tandem. Maurice Hirsch kippte wie bereits gegen Frankfurt erst relativ viel und später immer weniger im Spielaufbau ab und zeigte in diesen Situationen die ebenfalls schon bekannten riskanten ballschleppenden Aktionen oder kurzen Dribblings. Gelegentlich setzte er sie jedoch durchaus klug ein und zog die Augsburger Aufmerksamkeit damit auf sich und in das Zentrum, um anschließend den geringeren Zugriff des Gegners in anderen Räumen zu bespielen. Manuel Schmiedebach hielt sich in seiner direkten Beteiligung am Angriffsspiel spürbar zurück und zeigte sein bekanntes Aufschieben auf den rechten Flügel dosierter, war dafür aber auch flexibler in seinem Offensivstreben insgesamt.

Insgesamt zeigte Hannover eine zu Beginn sehr gute Leistung im Ballbesitzspiel und sicherte sich damit größtenteils selber ab, der ein oder andere schnelle Gegenstoß der Augsburger konnte jedoch nicht verhindert werden. Augsburg nutzte die sehr gute Chance zur Führung nicht, Hannover traf nach einer Ecke. Danach drängte Augsburg, doch eine aufmerksame und relativ stabile 96-Defensive ließ wenig zu. Im Angriffsspiel war 96 zunächst sehr gut, pendelte sich dann auf einem ansprechenden Niveau ein und vergab ein paar gute Situationen durch sinnlose Flankerei. Mit der Ein-Tore-Führung ging es in die Halbzeitpause.

Die zweite Halbzeit

Ohne personelle Wechsel betraten beide Mannschaften den Platz zur zweiten Halbzeit. Augsburg presste nun konstanter im 4-1-4-1 und störte noch ein Stück höher als in den ersten 45 Minuten. Dabei traten sie mit einer leicht keilförmigen Anordnung in der vorderen Reihe auf, ließen die schöne Torwartkette im Aufbau nicht mehr zu und konnten auch Albornoz zumindest mit kurzen Pässen nicht mehr so zahlreich einbinden. Hannover war so zu ein paar langen Bällen mehr gezwungen, durch den nach wie vor guten Joselu, den per Definition guten Stindl und ein paar sehr gute Pässe von Zieler war dies allerdings für den Spielfluss kein großes Problem.

Briand und Kiyotake agierten in der zweiten Halbzeit deutlich positionstreuer. In der Folge trat 96 mit weniger gutem Kombinationsspiel im zweiten Drittel in Erscheinung als noch in der ersten Halbzeit, bestach dafür aber mit gut abgestimmten Positionswechseln und Kreuzungen im letzten Drittel. Aus dem Spiel heraus entwickelten die Roten dadurch mehr Gefahr, litten aber teilweise unter weniger guten Staffelungen fürs Gegenpressing. Die beiden Sechser mussten dies kompensieren, dafür recht riskant aus ihren Stellungen herausrücken und Augsburg kam noch zu der ein oder anderen guten Möglichkeit, wenn sie sich vor allem über Baier aus dem nicht immer optimal ausgeübten Hannoverschen Druck mit einer langen Verlagerung befreien und dann kontern konnten.

Gegen den geordneten Spielaufbau der Fuggerstädter trat Maurice Hirsch noch ein bisschen aktiver im Anlaufen des zurückfallenden Altintops oder seltener Feulners in Erscheinung (gab es schon in der ersten Halbzeit zu sehen, war aber in der zweiten etwas ausgeprägter) und Daniel Baiers Herauskippen im Augsburger Spielaufbau war nicht mehr so extrem linkslastig. Dennoch gelang es Augsburg nicht, das Zentrum konstanter und konstruktiver zu bespielen, was unter anderem auch an Stindls Rückwärtspressing lag, und sie stellten 96 aus dem Spiel heraus nur selten vor problematische Situationen.

Nach den Wechseln bewegte sich der FC Augsburg etwas verstärkt in Richtung eines 4-2-3-1, verfolgte diese Formation aber auch nicht permanent und zog kaum Nutzen daraus. Mit der Einwechslung Christian Panders wurde Hannover naturgemäß etwas anfälliger über die linke Seite, doch auch diese Umstellung blieb ohne Folgen: Augsburg war weiterhin nur nach Kontern gefährlich, 96 tat ihnen jedoch nicht den Gefallen in schlecht abgesicherte Angriffe überzugehen. Dazu trug auch die Einwechslung Ceyhun Gülselams für Schmiedebach bei und 96 brachte die Führung konsequent bis zum Schlusspfiff.

Fazit

96 bestätigt mal wieder die schon bei den letzten Niederlagen gesehenen guten Fortschritte in der Ballzirkulation und zeigt auch Vielversprechendes in Sachen Gegenpressing. Gelegentlich fehlte Hannover die Stabilität und der Zugriff bei Kontern, doch durch eine weitestgehend aufmerksame und robuste Endverteidigung kam Augsburg nur nach einigen wenigen Kontern zu gefährlichen Abschlüssen. Kurioserweise war die Chancenqualität der Gäste aus Augsburg sogar höher als die Hannovers, doch durch ein Tor nach einer Ecke sowie einem Elfmetertreffer kann 96 die heute nicht optimal auftretenden Augsburger dennoch besiegen. Die Abstimmung der Offensivreihe funktionierte auf Seiten Hannovers phasenweise hervorragend, auch die Tendenzen im Spielaufbau sind sehr positiv. Dass 96 zu Null spielte, war zwar nur teilweise auf eine kollektiv stabile Hintermannschaft zurückzuführen. Doch im Endeffekt bot 96 eine durch und durch gute Leistung in allen Mannschaftsteilen, ohne dass es nicht noch Steigerungspotential für das letzte Hinrundenspiel in Freiburg sowie die komplette Rückrunde gäbe.

Spieler des Spiels: Lars Stindl

Eigentlich kann der taktisch gesehen beste Akteur in einem Spiel mit Augsburger Beteiligung nur Daniel Baier heißen. Aber da es hier um 96 geht… Salif Sané spielte unaufgeregt, sehr seriös, nutzte seine Schnelligkeit, seine körperliche Überlegenheit gegenüber seinen Gegenspielern, zeigte ein paar Mal ein schönes Herausrücken aus der Kette und demonstrierte einmal mehr, dass es ziemlicher Blödsinn war, nicht mehr in der Innenverteidigung spielen zu wollen (wobei ein bekanntermaßen so talentierter Spieler auch einen guten Sechser abgeben könnte – je nachdem wie die mannschaftliche Struktur dazu passt). Maurice Hirsch bestach durch mutige kurze Dribblings (die aber strategisch teilweise noch eine zu große qualitative Streuung aufweisen) und ergänzte sich mit dem neben ihm zurückhaltender agierenden Manuel Schmiedebach gut. Joselu war mit seinem großen Bewegungsradius, vor allem vertikal, für die Stabilität des Ballbesitzspiels enorm wichtig und glänzte mit klugen und größtenteils gut getimten Verzögerungen. Und dann war da noch Lars Stindl. Der derzeit einfach der (nicht nur, aber maßgeblich taktisch) beste Spieler im roten Trikot ist, weil er Lars Stindl ist. Mit allem, was ihn dabei auszeichnet. Hauptsächlich sind da zu nennen: Larsstindlhaftigkeit, Stindlichkeit, Larsität und manchmal sogar Stindleganz. Kurz gesagt: enorme Stindligenz.