Hertha BSC – 96 3:1

Simple Abläufe mit kleinen Offensivansätzen im Duell der „Männerfußball“-Mannschaften. Hertha will es am Ende einfach mehr!

Einrückende Flügel- und ausrückende Zentrumsstürmer als taktische Highlights

Da Hertha sein 4-4-2-Stammsystem erwartungsgemäß nur in Nuancen variierte, griff Hannover mit seinem 4-4-2 auf die konventionelle und ebenso erwartbare Gegenmaßnahme zurück. Es entstanden einfache Mann-zu-Mann-Zuordnungen auf dem ganzen Platz und klare Verantwortlichkeiten für den Gegenspieler. Da beide Teams nicht für ausgefeilte Ballbesitzmechanismen bekannt sind, aber einen zumindest in der ersten Phase ruhigen Spielaufbau nicht scheuen, entwickelte sich das vorhersehbar gleichförmige Spiel. Hannovers zurückhaltendes 4-4-2-Mittelfeldpressing gestattete den Hausherren Zeit im Aufbau, der bei Bedarf von Lustenberger unterstützt wurde. Dahinter ordnete sich Sorg meistens dem höheren Maier zu, während sich die 96-Abwehrspieler auch recht eng an die eingerückten Berliner Flügelspieler hefteten. 96 leitete den Ball nach außen und suchte dann dort mit den Stürmern, dem ballnahen Flügelspieler und Sechser den Zugriff, ging Rückpässen aber in der Regel nicht hinterher. Hertha überzeugte in der aktiv gestalteten und „dominanten“ Anfangsphase mit dynamischen Bewegungen vom Flügel in die Mitte: Kalou als nomineller linker Flügelspieler konnte in das Sturmzentrum stoßen, da Lazaro im Aufbau zwischen die Linien zurückfiel und von da gerne nach außen startete, um mit Tempo in den Rücken des 96-Außenverteidigers durchzustarten oder sich zumindest der Bewachung durch einen Hannover-Sechser zu entziehen. Zusammen mit dem Aufrücken der Außenverteidiger konnten die Berliner sich in drei oder vier Szenen tatsächlich freie Räume schaffen und diese dann auch schnell in die Tiefe durchspielen. In Kombination mit einem Einrücken von Weiser (auch mal als vorübergehender Positionstausch mit Lazaro) und seinen spielmachenden Aktionen, also Dribblings oder Spielverlagerungen mit anschließendem Herüberrücken, geriet die Hertha-Offensive recht beweglich. Abschlüsse aus ordentlichen Positionen und schließlich auch der Führungstreffer nach einer Ballung auf dem linken Flügel mit einem Einlaufen von Kalou waren die logische Konsequenz.

BB_BSC

Die aktivere Spielweise der Herthaner wurde durch ein höheres Pressing als bei 96 untermauert, das aber taktisch nur in Details abwich: Anstelle eines aufrückenden Sechsers orientierte sich meistens Kalou nach vorne, da Sechser Sorg im Aufbau meistens neben die beiden Innenverteidiger nach rechts herauskippte. Weiser sicherte dies mit einer tieferen Positionierung ab und erzeugte ein schiefes 4-3-3. Ansonsten genügte das Zustellen der ballnahen Anspielstationen, da 96 wie gegen Hoffenheim das Mittelfeldzentrum kaum bespielte. Stattdessen setzte auch Hannover im Vorwärtsgang auf ausweichende Stürmer, aber in einer direkteren und sozusagen unmittelbar druckvolleren (aber auch erfolgloseren) Spielanlage: Spätestens beim Anspiel auf die 96-Außenverteidiger rückten Harnik und Füllkrug auf die Seite herüber und erwarteten vertikal zueinander gestaffelt den flachen Steilpass oder den hohen Ball. Der Hintergedanke waren wohl einerseits Verlängerungen füreinander spielen zu können, aber auch eine erhöhte Präsenz für zweite Bälle und anschließend viele Spieler für den Sprint in die Tiefe aufzubauen – teilweise entstanden Überladungen, indem auch Bakalorz im Umkreis der Stürmer stand und der Flügelspieler im Halbraum eine zusätzliche Möglichkeit bot, nach dem erfolgreichen Gegenpressing hinter die Abwehr durchzubrechen. Deutlich mehr, sprich: immerhin ein bisschen, Offensivgefahr entstand jedoch nach Balleroberungen im zentralen Mittelfeld und dem Konter – und vor allem nach Standardsituationen, die 96 zwei Mal sehr nah an den Torerfolg brachten. Grundsätzlich wurde Hannover aber nur deshalb druckvoller und etwas präsenter, da sich Hertha mit der Führung im Rücken zurücknahm, tiefer presste und früher lange Bälle Richtung Selke spielte, anstatt Hannover etwas herauszulocken und dann schnell die Flügelräume zu bespielen. Mit mehr Ballbesitz wurde auch das Einrücken von Klaus effektiver, der das Zurückfallen und Ausweichen von Harnik kompensierte und eine weitere Station im Ablagenspiel darstellte.

45 Minuten Schlussphasen-Fußball

Mit Sarenren-Bazee für Klaus und Fossum für Sorg blieb Breitenreiter beim 4-4-2. Hannover spielte jetzt aber noch direkter und legte das Augenmerk noch stärker auf Offensivpräsenz. Hertha gestattete diesen erwartbaren Spielverlauf mit der Passivität einer 2:0 in Führung liegenden Mannschaft, stand tiefer, rückte vorsichtig auf zweite Bälle heraus und hielt den Ball zu selten in den eigenen Reihen. Hannover konnte seine Außenverteidiger früher aufrücken lassen, die Flügelstürmer ins Zentrum schieben und die zweiten Bälle im Umfeld der letzten Linie energisch attackieren. Halbfeldflanken und Läufe hinter die Abwehr übten viel Druck auf die Hertha-Abwehr aus und bescherten Hannover auch zwei gute Abschlussmöglichkeiten und noch einige Strafraumszenen mehr, sodass sich Dardai schon nach etwa einer Viertelstunde zur Umstellung auf ein 5-4-1 mit Lustenberger zwischen Stark und Torunarigha, der für den verletzten Rekik ins Spiel gekommen war, gezwungen sah. Lange Bälle ins Sturmzentrum wurden für die Berliner mit ihren fünf zentralen Defensivspielern jetzt besser zu kontrollieren, ebenso wie der Spielaufbau mit der Überzahl in der ersten Reihe etwas erleichtert wurde und den Hausherren Luft verschaffte. Hannover verlagerte sich im Aufbau deshalb zunehmend auf lange Bälle auf die weit aufrückenden Außenverteidiger und baute mit bis zu fünf Spielern im Strafraum zwar weiterhin Druck auf, kam aber nicht mehr an die vorherige Offensivproduktivität heran. Stattdessen stieg die Anfälligkeit für Konter, die Berlin mit dem eingewechselten Leckie und Kalou, zwei sehr guten Konterspielern, aber nur in zwei Szenen zu nutzen wusste. Das dritte Berliner Tor, wie das zweite und der zwischenzeitliche 96-Anschlusstreffer nach einer Standardsituation, setzte dann den Deckel auf das ebenso lebendige wie uninspirierte Spiel.

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