Union Berlin – 96 2:1

Nach der Länderspielpause trat Hannover 96 die Reise nach Berlin an. Mit den ordentlich in die Saison gestarteten Unionern erwartete Stendels Elf nach den zuletzt schwächeren Gegnern erstmals wieder ein nominell gut besetzter Kontrahent.

Union-Raute, 96-Tiefe und viele zweite Bälle

Jens Keller änderte die Grundformation seiner Mannschaft vom bisherigen 4-1-4-1 und schickte seine Elf in einem 4-3-1-2 ins Spiel, bei dem der bisherige Rechtsaußen Skrzybski als Zehner hinter den Stürmern Redondo und Hosiner auftrat. Gegen die gegnerische Mittelfeld-Raute hatte 96 immer wieder Mühe, die Unterzahl vor der Abwehr auszugleichen: Schmiedebach und Bakalorz konnten sich nicht immer gegen die drei offensiveren Unioner Mittelfeldspieler und den zurückweichenden und kurz anspielbereiten Hosiner, meistens auf der halbrechten Seite, behaupten. Die Berliner kamen so vor allem bei schnellen Angriffen nach gewonnen zweiten Bällen immer mal wieder in den Zwischenlinienraum vor der 96-Abwehr und deuteten Gefahr für Hannovers Abwehr an. Erst im Laufe der Halbzeit spielte Klaus auf der rechten Seite im Pressing enger und Fossum etwas tiefer, sodass die Berliner Überlegenheit in diesem Bereich in manchen Szenen leicht entschärft wurde. Da die Eisernen im offensiven Umschalten ihre Außenverteidiger sehr aggressiv und weit in den Angriff mitnahmen, drängten sie immer wieder auch die 96-Flügelspieler zurück, sodass die größte Anfälligkeit der Raute, die Kontrolle der Flügelräume bei gegnerischen Kontern, von 96 nur durch das Ausweichen von Sobiech und Fossum genutzt werden konnte. In der Folge fehlten allerdings natürlich die zentralen Anspielstationen, sodass auf die nachrückenden Schmiedebach, Klaus und Karaman gewartet werden musste. Meistens kam 96 nach schnellen Gegenangriffen daher maximal zu schlecht vorbereiteten Hereingaben, vorschnellen Abschlüssen oder musste über Schmiedebach sehr schnell den Schnittstellenpass durch die Abwehr suchen. Besonders gefährlich wurde Hannover so nicht.

Die große Anhäufung zweiter Bälle in der gesamten Partie rührte von den hohen Pressingansätzen beider Mannschaften her und spielte eher Union mit der natürlich etwas vielfältigeren, linienreicheren Raumbesetzung in die Karten. Während 96 die Berliner im 4-4-2-Angriffspressing mit einem auf den zentral abkippenden Fürstner aufrückenden Schmiedebach immer wieder zum langen Schlag zwang, konnte auch das eher hohe 4-3-1-2-Pressing der Hausherren mit seinen klaren Zuordnungen gegen die beiden Innenverteidiger und den tieferen Bakalorz die Optionen zum flachen Herausspielen für 96 beschränken. Da sich Union im Ballbesitz nach gesicherten zweiten Bällen generell sehr eng zusammenzog, konnten sie insgesamt mehr Druck auf Abpraller oder Ablagen geben und dann mit schnellem Dreiecksspiel in den Angriff vorarbeiten. Dabei zeigten sie auch ihre schon zuletzt vielversprechenden Ansätze von schnellen Ablage-Angriffen durch die Halbräume.

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Hohes 96-Pressing, gute Zugriffsmöglichkeiten für Union im eng gemachten Mittelfeld nach dem langen Ball, oder im Anschluss anstrengende Umformbewegungen für 96 (bei Klaus, Karaman und Schmiedebach/Bakalorz).

96 ließ es im Ballbesitzspiel dagegen an Klarheit und gruppentaktischen Impulsen vermissen, weil die Umstellung im Vergleich zu den letzten Spielen (Fossum zentral, Klaus rechts) dazu führte, dass Hannover sich zu konventionell positionierte und bewegte. Zudem erfolgte der Übergang in die Angriffsräume eben zu oft nur über hohe Zuspiele und der Ball wurde von Sobiech, Fossum, Karaman und Klaus phasenweise mehr mit dem Kopf als mit den Füßen behandelt. Ohne die zwei sehr engen Flügelspieler mussten Schmiedebach und Fossum alleine die Überladungen auf den Flügeln initiieren und kamen gegen die vier oder mit Hilfe von Hosiner fünf im Mittelfeld um den Ball versammelten Unioner nur selten klar durch und suchte allgemein auch sehr ungeduldig nach dem Pass in die Tiefe. Da zudem der rechts offensiv auf den Konter lauernde Redondo Sorg hinten hielt, fehlten manchmal auch Verlagerungsoptionen. Nur Karamans Dribblings nach innen und sein Zusammenspiel mit Albornoz, Schmiedebach und Fossum sorgten gelegentlich für Gefahr nach vorne. Nach Ballverlusten wurde außerdem die zumindest riskante Ausgangslage mit zwei Union-Stürmern gegen die zwei oder drei verbliebenen 96-Abwehrspieler auffällig, die aber wegen des gewohnt intensiven 96-Gegenpressings in der gegnerischen Hälfte nur sehr selten in schnellen Durchbrüchen für die Hausherren mündete. Der stete Kampf um Befreiung und Angriffs-Ansätze hatte wenige gute Torchancen aus dem Spiel zur Folge, die Abschlüsse nach Standards oder schnellen Angriffen über die Seiten verteilten sich darüber hinaus ungefähr gleich auf beide Mannschaften, sodass am Ende das 0:0 zur Pause stand.

Tore im zweiten Durchgang

Ohne formative Reaktion auf das etwas überraschende gegnerische Spiel schickte Stendel seine Mannschaft wieder auf den Platz und konnte trotzdem ein paar gute Aktionen nach vorne begutachten. Gegen das zunehmend zwischen Angriff und Mittelfeld unkompakter werdende Union-Pressing konnte sich Hannover jetzt öfter flach ins zweite Drittel lösen und vor allem über Albornoz, dessen nomineller Gegenspieler Kroos zurückhaltender neben Fürstner blieb, und den etwas tieferen Schmiedebach ruhiger aufrücken. Zwei solcher Angriffe konnten über schnelle Verlagerungen auf die rechte Seite durchgespielt werden und bescherten 96 zwei sehr gute Chancen zur Führung, doch Fossum und Sobiech verpassten jeweils knapp vor dem Tor. Bis zur Einwechslung von Stammstürmer Quaner für Redondo wog das Spielgeschehen zwischen ankurbelnden Aktionen von Schmiedebach und Karaman oder den für ihn eingewechselten Bähre über die Außenbahnen auf der einen, und schnellen Durchbruchsversuchen für Union nach eroberten zweiten Bällen und Ausspielen von Bakalorz/Schmiedebach auf der anderen Seite hin und her. Das Führungstor für die Gastgeber entsprang dann einem Berliner Einwurf, einer nicht optimalen Reaktion von Bähre und einer Portion Glück für Trimmel und Quaner im Strafraumgewühl. Kurze Zeit später konnte Union nach einem abgefangenen Klärungsversuch von Anton und dem Durchbruch von Quaner erhöhen. Kurz zuvor hatte Stendel Sané für Fossum gebracht und den Senegalesen auch als zentraloffensiven Mittelfeldspieler aufs Feld geschickt (das ist… immerhin eine Idee). Nach dem Rückstand konnte er so immerhin als Anspielstation für lange Bälle in die Angriffszonen herhalten, trug abgesehen von seiner Verlängerung auf Sobiech vor dem späten Anschlusstreffer durch Klaus aber auch nichts zum 96-Spiel bei, in dem am Ende Prib auf der linken Seite und Bähre zentral neben Schmiedebach für letzten Schwung sorgen sollten.

Die Hannoversche Schlussoffensive wurde aber nur noch mit einem knapp am Tor vorbeifliegenden Albornoz-Abschluss belohnt, sodass nach einer strukturell schwächeren, offensiv aber dafür auch nicht signifikant unproduktiveren Leistung als zuletzt mit ungünstigen Einzelspielerauftritten (Klaus schwach, Karaman mit einigen blöden Entscheidungen, Fossum oft in unpassenden Situationen) die zweite Saisonniederlage zu Buche steht. Offensiv zeigte Hannover erneut zu wenig, weil und während Union mit einer mutigen Gegneranpassung viel Druck auf Hannovers Abwehr gab und die beiden 96-Sechser vor ein paar Probleme stellte. Und weil man eben nicht immer einen für das gegnerische Spiel unangenehmen Standard-Treffer erzielen kann.

6 Kommentare

  • AlbertC sagt:

    Ende 9. Spieltag (Braunschweig gewinnt morgen gegen den FCK.)
    96 hat 5 Spiele gewonnen und zwar gegen Tabellenplatz 18, 16, 15, 14 und 11.
    Remis gegen 17 und 8. Verloren gegen 9 und 5.
    Meiner Meinung, die eines 96-Fans mit mässigem Sachverstand, nach muss Stendel mit diesem Kader spielerisch weiter sein. Dass es nicht so ist, muss an seinen aktuellen Trainerqualitäten liegen. Will Martin Kind sein Projekt Aufstieg nicht gefährden, sollte er nicht zögern, sondern nach dem 12. Spieltag am 7. November einen neuen Trainer präsentieren.

  • pressschlag sagt:

    In meinem eigenen, Union-fokussierten, Blog gibt es auch eine Analyse zum Spiel: https://eiserneketten.de/posts/nicht-alles/

    Während ich allem hier, das sich auf das Spiel bezieht, zustimmen kann, würde ich die Formation von Union bisher glaube ich eher 433 nennen – die Außen haben schon als Flügelstürmer gespielt, teilweise sogar im 433 angriffs-gepresst.

    • Jaime sagt:

      Danke für beide Hinweise, sind beide sehr berechtigt und willkommen. Es ärgert mich oft, wenn Leute die Chance verpassen, durch die Differenzierung zwischen 4-1-4-1 und 4-3-3 wichtige Nuancen unnötig zu unterschlagen, weshalb ich es umso ärgerlicher finde, das in diesem Fall selber gemacht zu haben… Sehe ich eigentlich genauso, daher danke für die Korrektur.
      (Ich hätte dafür kleinere Einwände gegen die Bezeichnung 4-1-3-2 als Grundformation für 96, die ich allgemein als relativ normales 4-2-3-1 einstufen würde. Aber einerseits ist es ja sowieso nicht so wichtig und andererseits war das Union-Spiel wohl das 4-1-3-2igste 96-Spiel der Saison, also ist es doch legitim).

      P.S.: Pressschlag > Taktikblogs.

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