96 – FC Ingolstadt 4:0

Der FC Ingolstadt stand vor dem Anpfiff mit 19 Punkten deutlich vor der Frontzeck-Elf. Man muss sich allerdings vergegenwärtigen, dass diese durchaus stolze Ausbeute mit einer Zweitligamannschaft errungen wurde, die kaum mit überdurchschnittlicher Qualität aufgefrischt wurde. Mit einer von der Norm abweichenden und gut umgesetzten Taktik konnten die individuellen Defizite bisher kompensiert werden. An diesem Tag griff ihr Plan allerdings nicht, sodass sich am Ende der Qualitäts-Erstligist gegen den Qualitäts-Zweitligisten (zu) deutlich durchsetzt.

Mehr in der Luft als Felix Klaus am Boden: der Ball

Ingolstadt presste im gewohnten hohen 4-3-3 und dem tieferen 4-1-4-1 mit recht klar mannorientierten Zuordnungen. Die beiden Flügelstürmer stellten zunächst eng, im Verlaufe der Halbzeit immer loser, die 96-Innenverteidiger zu. Pekhart orientierte sich je nach Verlauf des Hannoveraner Aufbaus entweder an einem (abkippenden) 96-Sechser oder lief Zieler an, um ihn zum langen Ball zu zwingen. 96 war darauf mit den bekannten Bordmitteln bestens vorbereitet und suchte seine Zielspieler Sobiech und Andreasen, wobei sich letzterer auch oft zusammen mit einem Sechser auf den zweiten Ball stürzen sollte. Beim flachen Ausspielen des Ballbesitzes versuchte Ingolstadt den Ball auf die Flügel zu leiten, was 96 gerne annahm. Wenn über Ablagen nach langen und zweiten Bällen oder flache Anspiele der Raum hinter den Ingolstädter Flügelstürmern erreicht werden konnte, musste sich Ingolstadt etwas zurückziehen, da die Breitenabdeckung des Dreiermittelfeldes naturgemäß problematisch war. 96 konnte in solchen Szenen kollektiv weit aufrücken. Nach den Ballverlusten auf den Flügeln genügten dann schon mittelmäßige Staffelungen, um die Gäste mit leichtem Gegenpressing auszubremsen und nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Dabei spielte der Frontzeck-Elf auch die schlechte Abstimmung bei Ingolstädter Kontern in die Karten, die insbesondere bei diagonalen Laufwegen von Leckie, Morales und Hartmann auffiel.

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Ungefähre Staffelungen bei Spielaufbau 96, bei Ingolstadt allerdings mit verschiedenen Variationen: Tiefer im 4-1-4-1, zudem mal engere und mal losere Orientierung der Flügelstürmer. Mitte der ersten Halbzeit eine ganz nette Reaktion darauf von Schmiedebach, der zusätzlich zurückfiel und damit mehr Raum im Zentrum öffnete.

Das alles spielte allerdings für das Ergebnis keine große Rolle – Hannover war nach einer Ecke mit der ersten Chance sehr früh in Führung gegangen. Schlimm genug, dass damit der Ingolstädter Matchplan komplett über den Haufen geworfen wurde, funktionierte auch das Leiten und aggressive Nachschieben im Pressing nicht wie üblich – der FCI strahlte keinerlei Gefahr aus. Die Gäste versuchten sich mit einem abkippenden Roger und einem rechts etwas tiefer eingebundenen Groß in den Angriff zu spielen, scheiterten aber an flachen Staffelungen und Ungenauigkeiten im Mittelfeld. Gegen das Hannoversche 4-4-1-1-Mittelfeldpressing, das insgesamt etwas weniger kompakt und tiefer angelegt war als gegen Gladbach, fanden sie kaum spielerische Wege zum Tor und verließen sich ebenfalls überwiegend auf lange Bälle in Richtung Pekhart und den anschließenden Kampf um den zweiten Ball. Wenige Minuten nach der Führung war das Spiel dann bereits gelaufen: 96 spielte sich auf dem rechten Flügel durch und Bechs Hereingabe rutschte der FCI-Abwehr durch, sodass Karaman trotz der sehr flachen Angriffsstaffelung Hannovers an den Ball kam. Der von uns Fußball-Hipstern ja bereits seit seinem ersten Testspieleinsatz Verehrte setzte sich gegen mehrere Gegenspieler stark durch und fand Andreasen, der von der indiskutablen Endverteidigung der Gäste unbehelligt einköpfte. Hannover zog sich nach der Führung noch weiter zurück und ließ das Spiel auf sich zukommen. Groß konnte daher auf der rechten Ingolstädter Seite höher eingebunden werden und versuchte, die Bälle weiträumig zu verteilen. Das Hasenhüttl-Team überlud zudem jetzt deutlich die rechte Seite mit dem einrückenden Leckie, der ebenso wie Morales viele Sprints in die Tiefe zeigte, um Raum für vertikale Anspiele auf Pekhart zu öffnen. Doch Ingolstadt scheiterte an Ungenauigkeit und mangelnder Spielstärke. Nach einem Eckball konterte 96 über Zieler, Sobiech und Bech. Karaman besorgte mit einem Traumtor (siehe oben, überrascht uns kein Stück) die endgültige Vorentscheidung.

96 spielt die Führung ohne Ball runter

Mit da Costa als neuem Rechtsverteidiger und Levels links in der Abwehr baute Hasenhüttl seine Abwehr um. Für den blassen und im Pressing ineffektiven Pekhart stürmte nun wieder Stammangreifer Hinterseer. Ingolstadt intensivierte sein Anlaufen, wurde aber von 96 weiterhin früh mit langen Bällen überspielt. Mit etwas mehr Aggressivität im Zugriff auf die zweiten Bälle konnte sich Ingolstadt zwar vorerst etwas stabilisieren, offenbarte im Kampf um den Ball auf dem Flügel aber auch wegen einer zu breiten Position von Groß das Zentrum. Nur vereinzelt konnte sich 96 mit nachstoßenden Läufen von Andreasen, Bech und Schmiedebach nach abgewehrten Zuspielen in die Tiefe im Angriff festsetzen, doch kam in der zweiten Halbzeit zunächst zu keinem Abschluss. Die Ingolstädter Flügelangriffe konnten wegen schlechter Staffelungen im Mittelfeld und schlecht abgestimmter Laufwege erst nach einigen Minuten in zwei Halbchancen umgewandelt werden. Groß agierte nun etwas zentraler, während Hinterseer mit einem größeren Radius aufwartete als Pekhart. Hannover investierte auch mit Gülselam für Andreasen unverändert wenig, kam über Umschaltansätze nicht hinaus und stabilisierte sich nach wie vor über gewonnene zweite Bälle und Entlastungsangriffe über die Flügel, an deren Ende zwei Flanken für Halbchancen sorgten. Gegen den Ball streute 96 ab Mitte der zweiten Halbzeit immer wieder kurze Phasen höheren Pressings ein, wobei Bech weiter aufrückte als Karaman und auch Schmiedebach mannorientiert aufrückte. Ingolstadt wurde so wieder zu mehr langen Bällen gezwungen. Kurz vor Schluss rutschte dann ein Konter sehr glücklich zu Bech durch, der mit dem vierten richtigen 96-Torschuss das vierte Tor erzielte. Damit endete ein von Luftduellen und dem Kampf um zweite Bälle geprägtes Spiel mit einem sehr hohen Heimsieg gegen zu keiner Zeit an das gewohnte Pressing-Niveau anknüpfende Ingolstädter. Begünstigt durch extreme Effektivität und schlechte Endverteidigung der Gäste fiel der 96-Sieg allerdings eher zwei Tore zu hoch aus, wenngleich Ingolstadt zu keinem Zeitpunkt in die Nähe eines Treffers kam. Auch, wenn es nach einem 4:0 komisch klingt – von einer „überragenden 96-Leistung“ zu sprechen, ginge dann doch entschieden zu weit. Es war ordentlich, mit ein paar guten Anpassungen an die erwartbaren langen Bälle und mit einigen guten Bewegungen im Mittelfeld. Aber die Tore fielen dann doch recht kontextlos und der Gegner war deutlich zu schwach. Beziehungsweise: Kenan Karaman, Fußballgott.

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