Warum 96 derzeit so schlecht ist

Vierter Spieltag, schon wieder Krise. Dabei sind, vor allem angesichts des noch frühen Zeitpunkts in der Saison, die reinen Ergebnisse nicht so sehr besorgniserregend. Dass die neue Spielzeit zunächst nicht besonders erfolgreich verlaufen würde, ist angesichts des Startprogramms nicht überraschend. Aber die Art und Weise, wie die schlechten Ergebnisse zustande kamen, bietet genügend Material für eine kritische Analyse.

No significant strengths

Das grundlegende Problem: der Spielaufbau

Die spielerischen Probleme fangen bei 96 standesgemäß in der ersten Phase des Ballbesitzes an. Was sich bereits letzte Saison in den ersten Spielen unter Michael Frontzeck andeutete, setzt sich in dieser Spielzeit fort. Im Spielaufbau gilt die Maßgabe: Hoch und weit, dann mal weiterschauen. In den Partien gegen den Abstieg konnte damit noch sporadisch Torgefahr erzeugt werden, was insbesondere an Lars Stindl als Fixpunkt des Angriffsspiels lag. Zudem wurden die langen Pässe in eine insgesamt kompaktere, besser organisierte Formation gespielt, in der auch mal ein zweiter Ball gewonnen wurde oder kurze Pässe möglich waren. Aber Lars Stindl spielt mittlerweile unter Lucien Favre und hat seitdem trotz schlechter Ergebnisse eher wenige lange Bälle über sich hinwegfliegen sehen. Bei 96 sieht man in dieser Saison im Aufbau aber oft sehr schlechte Staffelungen, die den langen Ball zur nahezu einzigen Option im Vorwärtsgang machen. Die Flügelspieler stehen im Spielaufbau breit an den Seitenlinien und positionieren sich in der Regel ungefähr auf der Höhe der Stürmer. Die Außenverteidiger rücken spätestens dann entlang der Linie nach vorne, wenn einer der Sechser auf ihre Position herauskippt. Da sich im Falle eines nominellen 4-2-3-1 auch der Zehner in den meisten Fällen eher in die letzte Linie orientiert, bleibt nur noch ein einziger Spieler im sehr großen Mittelfeldzentrum übrig. Hin und wieder hat es Hannover sogar schon geschafft, die Spielfeldmitte komplett leerzuräumen, wenn einer der beiden Sechser zentral zwischen die Innenverteidiger zurückfiel, während der andere noch auf der Außenverteidiger-Position stand.

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Eine von unzähligen Beispielszenen, in denen viele der aktuellen 96-Probleme erkennbar werden. Ein Sechser kippt ab (in diesem Fall des Spiels gegen Mainz war es zwar ein Achter, aber wurscht), die Flügelspieler stehen krampfhaft breit, alle anderen Spieler rücken auf. Ein zaghaftes Anlaufen auf den ballführenden Hannover-Spieler genügt, um den langen Ball zu erzwingen.

Kurze, sichere Anspielstationen in der Nähe des ballführenden Spielers, die Raumgewinn ermöglichen oder einen schnellen Angriff vorbereiten, sind nahezu ausgeschlossen. Zudem gibt es kaum ballfordernde Bewegungen, mit denen die schlechte Struktur etwas repariert werden könnte, und selbst wenn es solche Läufe mal gibt, werden sie wegen der nicht-vorhandenen Reaktion der Mitspieler darauf schlecht eingebunden. Also muss 96 zwangsläufig den langen Ball spielen oder wird von sich selbst auf den ballnahen Flügel gezwungen. Danach findet die Frontzeck-Elf aber keine Verbindungen mehr, weil immer nur der Weg nach vorne auf der gleichen Seite bleibt – im Zentrum befinden sich keine ausreichenden Anspielstationen und die ballführenden 96-Spieler können sehr leicht isoliert, also durch die Gegenspieler von den Mitspielern abgeschnitten, werden. Bei Hiroshi Kiyotakes Rückkehr gegen Dortmund gab es immerhin in Ansätzen eine leicht verbesserte Zehnerraum-Präsenz zu sehen, die sich auf den Flügeln positiv auswirkte. Kiyotakes technische Stärke erlaubte es ihm in ein paar Szenen, den Flügelspieler zu unterstützen und trotz der nach wie vor schlechten Verbindung auch unter größerem Gegnerdruck den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Dennoch wirkt sich dies, zumal es dafür angesichts der enormen Dominanz des BVB nur sehr wenige Gelegenheiten gab, insgesamt nicht allzu stark aus. Daher bleibt die Frontzeck-Elf bisher nicht nur nie lange im Ballbesitz, sondern kann zusätzlich nicht einmal selber entscheiden, auf welche Weise sie sich dem Tor nähern will. Da diese simple, stark flügellastige Angriffsweise aus dem eigenen Aufbau heraus extrem leicht zu verteidigen ist, kommt 96 in der Regel gar nicht mehr zu Aktionen in der Nähe des Tores und bleibt im Angriff harmlos – keine andere Mannschaft der Liga verzeichnet weniger Aktionen im gegnerischen Strafraum. Zudem verschenkt die Mannschaft einen großen Teil der ohnehin rar gesäten Aktionen vor dem gegnerischen Tor mit aussichts- und sinnlosen Distanzschüssen. In den bisherigen Ligapartien suchte 96 20 Mal außerhalb des Sechzehners den Abschluss – 5 Versuche mehr als von innerhalb der Box.

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Wenn 96 sich dann erst „freiwillig“ in die Isolation auf dem Flügel getrieben hat, sind solch beeindruckende Staffelungsunfälle die Regel. Wenn sich jemand fragt, was dieser „Zehnerraum“ ist: da, wo keiner steht.

Verbindungsmangel wegen Nicht-BewegungSVD

Auch, wenn einmal die reine Staffelung nicht so schlecht ist, in diesem Fall (und eigentlich auffällig vielen Fällen) dank Schmiedebach und Karaman, kommt 96 nicht zum Fußball spielen. Dabei ist in dieser Szene die Defensivarbeit Darmstadts natürlich nicht schlecht, da alle relevanten Zonen im Deckungsschatten verschwinden. Das Problem sind aber die Bewegungen der 96-Spieler. Prib und Schmiedebach folgen im Prinzip einem richtigen Impuls, ihr Freilaufverhalten wird aber nicht gut eingebunden.

Wenn der Ball im Aufbau lang nach vorne gebolzt und die schlechten Verbindungen zwischen den einzelnen Spielern überspielt werden, finden die Zielspieler in der Regel überhaupt keine Möglichkeiten vor, weiterzuspielen. Die Angreifer sind viel zu breit und flach, also viel zu sehr auf einer horizontalen Linie, aufgestellt. Selbst wenn der lange Ball ankommen sollte – was selten genug der Fall ist, eben weil es lange Bälle sind, die nicht nur schwer zu verarbeiten, sondern auch noch leicht zu verteidigen sind – findet der jeweilige 96-Spieler kaum Spielpartner vor. Ein oft nicht bedachter Nachteil langer Bälle im Spielaufbau wird dabei nämlich deutlich: Zwischen dem Passempfänger und den Mitspielern, aus deren Spielfeldzone der Ball abgespielt wurde, befindet sich sehr viel grüne Wiese, die durch die nahezu ausnahmslos breite Position der Außenspieler noch vergrößert wird. In diesem bei 96 unbesetzten Raum kann also eine Ablage oder ein Abpraller nicht verwertet werden. In dem recht seltenen Fall, dass ein langer Ball angekommen ist, müsste der Empfänger den Ball lange halten, bis sich ein Mitspieler in seine Nähe bewegen kann.

Besonders bei der 4-1-4-1-Formation gegen Mainz wurde dann wiederum deutlich, dass mangelnde Präsenz in der letzten Linie Gift für die langen Bälle ist: Da sich Edgar Prib oft im Spielaufbau weit zurückfallen ließ, bestand die Offensivreihe aus dem einzigen Stürmer Benschop und den beiden Flügelspielern Bech und Klaus. Zusammen mit den üblichen Staffelungsfehlern von zu viel Breite und zu großen Abständen zwischen den Mannschaftsteilen führte das zu noch weniger Möglichkeiten, die langen Bälle zu verarbeiten. Im Zentrum hatte Benschop gegen die beiden Mainzer Innenverteidiger und mitunter einen Sechser keine Chance, sodass 96 den Großteil der langen Bälle direkt auf die Flügel spielte. Das macht die Frontzeck-Elf ohnehin ständig, in dieser Begegnung aber erzwungenermaßen noch häufiger. Bei den Pässen auf Bech und Klaus war Benschop zu weit vom Empfänger entfernt, um ihn unterstützen zu können – mangelnde Präsenz, noch weniger Druck auf den zweiten Ball, noch weniger Möglichkeiten zum Weiterspielen. Und auch sonst werden die Flügelspieler oft in aussichtsloser Lage mit langen Pässen angespielt. Nur, wenn der Ball hinter die gegnerische Abwehr kommen sollte und die Flügelstürmer ihre Schnelligkeit ausspielen können, wegen der sie verpflichtet wurden, kann 96 vielleicht gefährlich werden. In den meisten Fällen ist aber nicht einmal das der Fall, sodass der lange Pass auf einen 96-Spieler kommt, der in einem Radius von mehreren Metern keinen einzigen Mitspieler vorfindet und ihn folglich sehr schnell wieder verliert. Die taktischen Mängel im 96-Spiel erklären also einen großen Teil der Kritik an den Leistungen der Flügelspieler. Die schlechten Verbindungen ins Zentrum und die ständig erzwungene Isolation an der Seitenlinie machen eine gute Leistung der Außenspieler nahezu unmöglich. Bei der bisher gesehenen spielerischen Ausrichtung können die Flügelspieler nicht nur kaum glänzen, sondern Ballverluste und Fehlpässe sind in großer Anzahl vorprogrammiert. Dafür allein Prib, Bech oder Klaus selbst verantwortlich zu machen, greift zu kurz. (Allan Saint-Maximin schadet das alles übrigens am wenigsten, weil er sich ohnehin noch nicht für konstruktive Lösungen und gute Strukturen interessiert.)

Die Hoffnung auf einen individuellen Durchbruch auf den Flügeln ist vor dem Hintergrund der Transferbemühungen ein starkes Anzeichen dafür, dass die Spielweise mit vielen langen Bällen nicht nur eine Folge der schlechten Vorbereitung im Ballbesitz ist, sondern auch eine gewollte Herangehensweise. Oft sieht man von dem jeweils nicht abkippenden Sechser und den Flügelspielern nach einem kurzen Rückpass ein sofortiges Durchstarten in die Spitze, noch bevor der Ball gespielt ist. Lange Bälle sind also vermutlich in sehr vielen Fällen Teil des Plans und nicht etwa ein Anzeichen von „fehlenden Automatismen“ oder mangelnder Eingespieltheit. Es ist viel schlimmer: Die langen Bälle sind die vorhandenen Automatismen.

Schlechte Staffelungen, schwache Defensive

Alles hängt mit allem zusammen: Die schlechten Staffelungen im Ballbesitz laden den Gegner regelmäßig zu sehr vielversprechenden Umschaltgelegenheiten ein. Wo im vorherigen Abschnitt noch die Nachteile der 96-Raumbesetzung für das Angriffsspiel im Mittelpunkt standen, geht es hier um die daraus folgenden Nachteile für die Defensive: Wenn die 96-Formation sehr breit gestreckt ist und keine guten Verbindungen vorliegen, fällt dem Gegner das Ballgewinnen und Umschalten leicht. Die große Flügellastigkeit des 96-Spiels gepaart mit fehlendem ballorientierten Verhalten der Stürmer endet in einer ausgeprägten Ignoranz des Zehnerraums – das Zentrum ist vollkommen frei. Wenn jetzt also ein langer Ball in die Spitze nicht gesichert werden kann oder abgefangen wird, ist kein 96-Spieler in der Nähe, der den Konter durch das Zentrum verhindern könnte. Die Flügelspieler stehen zu breit und können nicht eingreifen, die Abwehr und meist einer der Sechser stehen noch zu tief – insbesondere flache Pässe in das unterbesetzte Zentrum sind bei 96 tödlich. Wenn beispielsweise ein Flügelspieler in die Mitte einläuft und dort den Ball verliert, kann 96 nicht ins Gegenpressing gehen und fängt sich einige extrem gefährliche Umschaltangriffe durch das Zentrum. Die schlechten Verbindungen innerhalb der Formation sind also nicht nur offensiv harmlos, sondern auch defensiv gefährlich, weil 96 im Gegenpressing vollkommen ohne Zugriff bleibt. In der Bundesliga mit ihren vielen starken Pressing- und Umschaltmannschaften ist das ein untragbarer Zustand. Ohne einigermaßen nützliche Staffelungen im Ballbesitz ist ein Ballverlust im Zentrum der Mannschaft von Michael Frontzeck eine freundliche Einladung zum Toreschießen.

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Benschop lässt sich wie so oft recht kontextlos zurückfallen und verliert gegen Bender und Kramer den Ball. Wer eine Idee hat, wie 96 in dieser Situation ins Gegenpressing gehen könnte, schreibe es uns in die Kommentare. Es stehen dafür immerhin nur 2,5 Spieler zur Verfügung… Gedankenspiele wie „Wenn Sané kurz Busquets wäre…“ zählen nicht.

96-Pressing als schlimmstmögliche Form der Angriffsvorbereitung

96 versucht sich immer wieder an eher wenig orchestriertem hohen Pressing, formiert sich dahinter aber oft nicht kompakt genug und kann deshalb ausgehebelt werden. Im Mittelfeld zeigt 96 zudem keine wirklich stabilen Mechanismen zum Erzwingen von Ballverlusten, auf die man das anvisierte Umschaltspiel aufbauen könnte. Es mangelt 96 oft an Kompaktheit in Ballnähe, was durch die regelmäßigen Phasen von mannorientierter Spielweise noch verstärkt wird. Das Aufrücken und Zurückfallen im Mittelfeldpressing ist oft sehr klar am Mann orientiert, und die Reaktionen der Mitspieler auf das Anlaufen sind in der Regel nicht gut. Zu Saisonbeginn und in ein paar Testspielen war zumindest das diagonale Anlaufen des ballführenden Gegners durch die vorher eingerückten Flügelspieler noch effektiv und hätte im Prinzip auch zu Ballgewinnen führen können. Doch sowohl die beiden Sechser, als auch der Außenverteidiger bleibt in solchen Situationen meistens zu passiv. Zwar kann Hannover den Gegner in seinen Angriffsbemühungen damit oft ausbremsen und vom Tor fernhalten, der Druck auf den Ballführenden ist aber nicht ausreichend, um ihn zu Fehlern zu zwingen und dann schnell umschalten zu können. Zu einigermaßen gefährlichen Konterangriffen kommt 96 bisher nur, wenn der Gegner einen vermeidbaren Fehler begeht. Wenn schon aus dem eigenen Ballbesitz heraus nichts nach vorne passiert, muss 96 über eine ausreichende Anzahl an Kontermöglichkeiten verfügen. Wenn die aber nicht konstant erzwungen werden können, ist 96 vom Zufall abhängig und müsste eine sehr gute Chancenverwertung an den Tag legen – beides ist nichts, worauf man sich verlassen sollte.

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Das ist wirklich passiert. Diese absurde Staffelung im Pressing wurde übrigens folgerichtig mit einem Gegentor bestraft. Diagonaler langer Ball auf Bengtsson, kurzer Pass auf Jairo, Dribbling, Anspiel auf Muto, 1:0.

Den in dieser Hinsicht größten Fortschritt stellte der Auftritt im Heimspiel gegen Dortmund dar. Mit einer durchaus cleveren Anpassung an den Gegner ließ das 96-Mittelfeldpressing erstmals aufhorchen. Zwar gingen damit gehörige Risiken auf der ballfernen Seite und im Zentrum einher und 96 ließ sich sehr oft viel zu passiv in eine flache Abwehrformation zurückdrängen, aber insgesamt war zumindest eine klare Idee erkennbar. Mit der vielleicht als asymmetrisches 4-3-3 oder dauerhaft verschobenes 4-3-1-2 zu bezeichnenden Formation gegen den Ball werden wir uns in den nächsten Tagen in einer Aspektanalyse auseinandersetzen.

96 und das Verteidigen: Es ist kompliziert.

Wenn sich der Gegner vor das 96-Tor spielen konnte und Hannover den eigenen Strafraum verteidigen will, läuft ebenfalls nicht alles rund. Das Verschieben zum Ball wird oft sehr disharmonisch praktiziert und ist nicht intensiv genug, sodass teilweise merkwürdige und breite Staffelungen der Abwehr entstehen. Das führt zu großen Schnittstellen und Desorientierung einzelner Akteure. Einen Teil dazu trägt auch die leichte Mannorientiertheit bei, die allerdings vor allem bei Oliver Sorg schon immer Teil seiner allgemeinen Spielweise war. Wenn 96 ins Abwehrpressing gehen müsste, spielt die Mannschaft zu unkompakt und nicht kollektiv genug. Zudem staffelt sich 96 in der Defensive oft zu flach: Sané lässt sich gerne als zusätzlicher Innenverteidiger in die Abwehr fallen, wenn der Gegner über die Außenbahn angreift, und die Flügelspieler lassen sich oft von ihren Gegenspielern auf die Höhe der Viererkette ziehen. Wenn beides zusammenkommt verteidigt 96 extrem schlecht im Rückraum, was die Stabilität erheblich vermindert. Angesichts der bisher gezeigten Angriffsmuster seit Tuchels Amtsantritt wurde dies erwartungsgemäß vom BVB mehrfach offengelegt und führte beispielsweise auch zum 1:2.

Gibt’s denn gar nichts Positives?

Immerhin ist Ron-Robert Zieler nach wie vor relativ viel in den Spielaufbau eingebunden… Danach wird es aber schon schwieriger, positive Aspekte zu finden. Also greifen wir auf eine derzeit sehr beliebte Argumentation zurück und vertrösten auf die Zukunft: Wenn eine Mannschaft wie 96 grundsätzliche Elemente des Spiels vermissen lässt, ist bereits mit kleinen Fortschritten eine signifikante Verbesserung des Spiels zu erreichen. Inwiefern eine solche Steigerung dann für Tore und vielleicht sogar Punkte ausreicht, hängt vom Ausmaß der Weiterentwicklung ab. Die Staffelung im Spielaufbau könnte beispielsweise recht gut korrigiert werden und hätte wie gesehen auch positive Auswirkungen auf andere Bereiche.

Zwar lassen sich im Spiel Hannovers oft die gleichen Fehler erkennen, aber sie treten immer wieder in einem anderen Gewand auf. Das Trainerteam versucht sich an Anpassungen, die das Potenzial hätten, einen Teil der Probleme zu beseitigen. Im DFB-Pokal probierte es 96 mit zwei inversen Flügelspielern, was den Fokus auf lineare Flügelangriffe vermindern könnte – es fehlte aber die passende Abstimmung mit den Stürmern. Danach wurde vom 4-2-3-1 auf ein System mit zwei klaren, robusten Zielspielern im Angriff umgestellt, was in puncto Präsenz eine sinnvolle Reaktion auf die langen Bällen darstellt – es mangelte aber an anderweitiger Unterstützung für die Stürmer. Schließlich stellt das 4-1-4-1 im Spiel gegen den Ball auf dem Papier eine interessante Option dar, um die Anzahl an Ballgewinnen auf den Flügeln zu erhöhen und besser ins Umschalten zu kommen – aber ohne ganz grundsätzliche Pressingmechanismen und -tugenden endete der Versuch in einem grotesken Desaster.

Dennoch zeigen diese Versuche, dass Lösungsansätze immerhin in der Theorie zu bestehen scheinen. Wenn nun eine dieser oder weiterer Anpassungen auch praktisch umgesetzt würde, könnte man ein zumindest nicht mehr aussichtslos trübes Bild von 96 zeichnen. Ein erster Schritt wurde mit dem noch näher auszuführenden Spiel gegen den Ball beim jüngsten Heimspiel bereits unternommen. Allerdings ist diese spezifische Leistungssteigerung kein sicheres Anzeichen für einen allgemeinen Aufwärtstrend, da Spiele gegen sehr dominante Gegner bei glücklichem Spielverlauf immer relativ angenehm sein können (siehe beispielsweise das letzte Rückrunden-Spiel gegen Bayern). Insofern verschleiert die in Teilen gute 96-Leistung gegen den Dortmunder Spielaufbau hoffentlich nicht den Blick für den allgemeinen Zustand. Bei der eigenen Spielgestaltung sind andere Lösungsansätze gefragt und nach wie vor dringend erforderlich. Damit würde man aber auch nur die sich selbst eingebrockte Suppe auslöffeln und die aus taktischer Sicht anscheinend verschlafene Saisonvorbereitung nur wenig kompensieren. Mit der überlegenen Meisterschaft wird es für 96 in dieser Saison eher nichts mehr.

8 Kommentare

  • Jan sagt:

    Ich hoffe, dieser Artikel – danke dafür – steht hier nicht anstelle der heiß erwarteten Spielanalyse. Ich war gestern im Stadion. Hatte zuvor schlimmste Befürchtungen, Reus und Piszeck haben uns vielleicht vor Schlimmeren bewahrt. ‚War dann aber froh, dads 96 nicht auseinandergefallen ist, wie ich befürchtete. Der Sieg des BVBs war natürlich hochverdient, aber es gab in vorherigen Saisons halt schon Spieltage, wo ein ungestümter BVB solche Spiele trotz Überlegenheit und unzähliger hochkarätigen Chancen nicht gewonnen hat. Dass im Aktuellen Sportstudio davon die Rede war, dass 96 sich zeitweise auf „Augenhöhe“ mit dem BVB befunden hätte, erweist 96 keinen Gefallen.
    Wie 96 aber so gegen nicht Spitzenteams der Liga einen Sieg erzwingen will, ist mir weiterhin schleierhaft. Zufallssiege sind natürlich immer möglich – hinten mauern, vorne hilft der liebe Gott. Aber von Pressing nix zu sehen, zweite Bälle gewinnen und all das was heute Standard ist. 96 ist für mich so leider weiterhin Abstiegskandidat Nummer 1 – Stuttgart und Gladbach werden spätestens in der Rückrunde punkten.

    Was mich gefreut hat, ist, dass Sobiech zweimal getroffen hat, das wird ihm Auftrieb geben.
    Über Frontzecks Auswechselungen muss ich erst noch nachdenken.

    Was mit leid tut:
    Ich hatte mir immer (irrationalerweise?) schon gewünscht, dass Felipe mal – allen Unkenrufen zum Trotz – vier Spiele durchspielt, weil ich IVs, die was für den Spielaufbau zu leisten vermögen, bevorzuge. Nach dem gestrigen Spiel gegen den BVB muss ich aber sagen, dass ich ihn in seinen kritischen Aktionen als sehr „ungestüm“ erlebt habe. Mit Pech alleine ist das bei den berechtigten Elfmetern m.E. nicht ausreichend erklärt – wobei der Schiri Prib dementsprechend auch einen Elfmeter hätte zusprechen müssen. Ich habe zudem in Erinnerung, dass es bei seinen früheren Einsätzen fast jedesmal zu unglücklichen Aklionen kam, was nicht für „seine“ Besonnenheit spricht.

    Was ich überhaupt nicht verstehe ist die Personalie Andre Hoffmann. Wenn ich mich richtig erinnere, hieß es letzte Saison 96, hole als Ersatz für den langfristig verletzten Hoffmann keinen etatmäßigen rechten Innenverteidiger (IV), um niemanden Hoffmann in der nächsten Saison vor die Nase zu setzen. Gut, Hoffmann gilt als rechter IV, wäre also insofern der Ersatz für Marcelo. Als linke IV sind Schulz, Felipe und Teichgräber im Kader. Sané und Gülselam sind von Haus aus auch rechte IV.
    Frage: Kann ein Hoffmann dann auch linker IV? Und wo wäre seine Position im Mittelfeld als Sechser – rechts oder auch links?

    • Jaime sagt:

      Montag oder Dienstag ungefähr kommt wie gesagt eine Aspektanalyse zum Spiel gegen den Ball, weil es ansatzweise interessant und immerhin mal was anderes war, nicht unbedingt weil es so toll gewesen wäre. Eine komplette Spielanalyse wird es nicht, das wird ja irgendwann auch mal langweilig. Aber vielleicht schreibe ich kurz noch ein paar allgemeine Beobachtungen rein.
      Ginter für Piszczek ist momentan gar nicht schlecht für Dortmund, aber der Reus-Ausfall, der an sich auch nicht so dramatisch sein müsste, gewann vor allem dadurch an Gewicht, dass für ihn Hofmann spielen musste – der ist für Dortmund eigentlich mindestens eine Kategorie zu leicht.
      Ein bisschen doof ist jetzt, wie damals nach dem Spiel gegen Bayern, dass die Gefahr besteht die in Teilen ganz ordentliche Leistung überzubewerten. So wie man jetzt gegen Dortmund (und damals gegen Bayern) gespielt hat, passt das eben nicht zu den meisten anderen Gegnern. Mal schauen, ob wir vielleicht nächste Woche auch Fortschritte in anderen wichtigen Bereichen sehen können. Die Auswechslungen waren für die Struktur schlecht, aber das ist eher nichts Neues.
      Eigentlich mag ich Felipe als Spieler auch sehr gerne, aber eine gewissermaßen unnötige Robustheit hatte er schon immer. Fand ihn unabhängig der „entscheidenden“ Szenen auch gar nicht übel.
      Diese rechts-links-Diskussionen sind immer ein bisschen schwierig. Das kann man von außen meiner Meinung nach nicht gut genug beurteilen. Im Moment sind bei uns die Passwinkel der Innenverteidiger sowieso relativ egal, weil es ohnehin nur quer, zurück sowie hoch und lang nach vorne gibt. Daher könnte er schon auch links spielen, Sané zB auch. Unter Slomka hat Hoffmann meine ich überwiegend als linker Sechser gespielt, das war eher so mittel. Aber da gefiel er mir sowieso nicht besonders. Prinzipiell würde ich ihn dann aber auch da aufstellen, weil Schmiedebach rechts bleiben sollte. Die Frage scheint sich aber derzeit nicht wirklich zu stellen…

      • Jan sagt:

        „weil Schmiedebach rechts bleiben sollte“
        Schmiedeback hat ja unter Frontzeck am Ende von 14/15 RV gespielt.
        Ich vermute mal ganz erfolgreich, weiß das aber nicht.
        Insofern er diese Rolle damals gut ausgefüllt hat, wäre es dann nicht Idee,
        ihn wieder RV spielen zu lassen? Also z.B. Schmiedebach, Marcelo, Felipe, Sorg
        Hoffmann Sane
        Andreasen Kiyotkale Prib (oder jemand Besseren)
        Sobiech

      • Jaime sagt:

        Er kann das, er kann fast alles, aber ist da aus meiner Sicht eindeutig verschenkt. Bei der derzeitigen Spielweise noch mehr, als gegen Ende der letzten Saison.

  • JaboIbehre sagt:

    Ich bin auch ein Fürsprecher Felipes, aber gestern war es leider wirklich in allen seinen letztlich „prägenden“ Szenen so, dass man sagen musste „da darf er nie und nimmer so hingehen“.

    Wieder so ein Spiel von ihm, dass es in vielerlei Hinsicht unwahrscheinlicher macht, dass er’s noch „packt“ bei den Roten… 🙁

    Zu Hoffmann: Ich meine, kürzlich erst eine Aussage aus dem Betreuerteam gelesen zu haben, laut der er derzeit einfach noch kein Thema für ein volles Spiel sei.

  • […] Hannover bot Dortmund überraschend lange Paroli, verlor schließlich mit 2:4. Niemals allein zeigt die Schwachstellen im 96-Spiel auf. Ein Beispiel: Gefährliche Diagonalbälle nach schwacher […]

  • […] so eindeutig auf das Verteidigen beschränken können wie gegen den derzeitigen Tabellenersten, der die Hannoverschen Defizite überwiegend nicht zum Vorschein kommen […]

  • Jan sagt:

    Ich habe ebengerade erst folgende Internetseite entdeckt und möchte auf folgenden Beitrag aufmerksam machen. Er bietet zwar nichts Neues, macht sich aber die Mühe, über seinen Gegenstand ordentlich zu schreiben.
    http://www.thewalkingred.de/2015/10/04/warum-michael-frontzeck-nicht-der-richtige-trainer-fuer-uns-ist
    Ich möchte ferner anregen hier eine Seite mit ausgewählten Fußballlinks zu präsentieren, also nicht Kicker oder Hannover96-Forum, sondern wo man substantiell mehr erfährt als Ergebnis- und Höhepunkteberichterstattung:
    http://spielverlagerung.de
    http://www.focus.de/sport/experten/eckner
    http://www.11freunde.de/artikel/was-macht-darmstadt-98-so-stark
    http://rasenfunk.de
    http://www.checkpod.fm

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