1. FC Köln – 96 1:1

Hannover 96 ist an der Spitze des Fußballolymps angekommen: Egal gegen wen, es ist „Sky-Topspiel“-würdig. Um sich vor zu viel Aufmerksamkeit zu schützen leistet Hannover aber seinen Beitrag, um in Zukunft nicht mehr zu oft am Samstagabend spielen zu müssen. Köln findet nach wie vor keine spielerischen Mittel, Hannover zeigt sich teilweise leicht verbessert im Vergleich zu letzter Woche. Und endlich ein Tor nach einer Flanke! Flanken sind so toll…

Grundformationen. Die vielen Pfeile sind kein Anzeichen eines taktisch interessanten Spiels, sondern der samstäglichen Langeweile geschuldet.

Grundformationen. Die vielen Pfeile sind kein Anzeichen eines taktisch interessanten Spiels, sondern der samstäglichen Langeweile geschuldet.

Die erste Halbzeit

Beide Mannschaften starteten relativ linearer und direkt in die Partie, sodass sich eine zumindest nicht-taktisch gesehen relativ interessante Anfangsphase ergab. 96 kam nach einem gewonnenen Ball durch Gülselam auf rechts sowie der folgenden langen Verlagerung von Stindl auf Bittencourt auf die freie linke Seite. Dort hinterlief ihn Miiko Albornoz und flankte punktgenau in den richtigen Raum, den Joselu gut besetzte und Horns Schulter per Kopf die Vorlage zur Hannoverschen Führung servieren konnte. Eigentlich war dies die perfekte Ausgangslage für die an sich defensiv ausgerichteten Kölner, die Probleme im eigenen Ballbesitzspiel haben. Dementsprechend waren sie gezwungen, die Initiative zu ergreifen; dabei blieben sie relativ harmlos, aber bemüht. Hannover konnte das 4-4-2-Pressing der Gastgeber relativ gut umspielen, da Zieler und die breiten Innenverteidiger immer wieder die Aufmerksamkeit der Pressingspitzen auf sich ziehen konnten, um dann in die freien Räume (auf der anderen Seite) zu spielen. Rund zehn Minuten nach der Führung glich Köln dennoch aus; als Hannover-Fan kam einem die Entstehung dieses Gegentores merkwürdig bekannt vor. Im flachen Spielaufbau fand Köln im Mittelfeld kein Durchkommen, den Rückpass-Empfänger Lehmann lief Lars Stindl nicht optimal an, sodass dieser den Ball in den freien linken Halbraum bringen konnte. Aus dem Halbfeld folgte ein Ball hinter die Abwehr, der jedoch nur unter gütiger Mithilfe von Hirsch seinen Weg dorthin fand. Salif Sané legte den Ball Anthony Ujah butterweich in den Lauf, sodass dieser frei vor Zieler einköpfen konnte.

In der Folge bot sich ein taktisch (eigentlich nicht nur taktisch, aber bei Sky war man offenkundig der Meinung, ein gutes Spiel gesehen zu haben) wenig interessantes Spiel zweier Teams, die ihr Augenmerk auf die defensive Stabilität legten. Beide Mannschaften traten mit nahezu gleichen Abläufen und auch ähnlichen Problemen auf. Gegen den Ball agierten beide mit einem relativ hohen 4-4-2-Mittelfeldpressing. Die Kölner waren im Anlaufen in der ersten Reihe jedoch weniger intensiv als Hannover und stärker darum bemüht, das Spiel aus dem Zentrum zu lenken. Dahinter zeigten sich jeweils situative Mannorientierungen im Zentrum (meist Hirsch gegen einen tiefen Kölner Sechser und Vogt gegen Hirsch), sodass der flache Spielaufbau durch das Zentrum erschwert war. Auf beiden Seiten erfolgte in der Konsequenz ein frühzeitiges Spiel auf die Flügel, wohin beide Mannschaften konsequent und weitgehend gut verschoben. Besonders gut und konstruktiv vorwärts kamen beide Mannschaften nicht, zumindest nicht dauerhaft.

Auf Seiten der Domstädter kippte Kevin Vogt im Spielaufbau einige Male seitlich nach rechts heraus und versuchte, Matthias Lehmann zu finden, der dann wohl mit langen Bällen auf die Flügel die Mitspieler bedienen und weitere Räume suchen sollte. Dabei gelang es jedoch nur wenige Male, das mannorientierte Herausrücken Hirschs zu bespielen und Lehmann tatsächlich im Zentrum einzusetzen. Insgesamt war die Kölner Spielaufbau-Struktur zu flach, was das konstruktive Passspiel erschwerte (oft 2-4-4-Staffelungen). Auf der anderen Seite kam 96 im Spielaufbau ebenfalls nicht richtig in Schwung. Zum einen lag dies an unpassend getimten Fallbewegungen von Bittencourt in den linken Halbraum. Dadurch konnte im Gegensatz zu den schon oft gesehenen Synergien zwischen Kiyotake und Stindl wenig Dynamik erzeugt werden. Andererseits waren die Bewegungen der beiden Hannoverschen Sechser nicht besonders hilfreich beim Finden von Lücken, wenn die Kölner Stürmer gegen den Ball zurückhaltender auftraten und eher leitend das Spiel aus dem Sechserraum fernhielten. Maurice Hirsch besetzte des Sechserraums entweder zu zurückhaltend in der Horizontale, oder kippte einige Male zentral zwischen die Innenverteidiger ab. Dies hatte eine nur manchmal sinnvolle Staffelung zur Folge, bei der Zieler, Hirsch und die Innenverteidiger eine gestreckte Raute bildeten. Vielleicht sollte so Köln zu breiterem und höherem Anlaufen in der ersten Reihe gelockt werden, um anschließend einen leichteren Übergang in das zweite Drittel zu gewährleisten. Oft verstellte Hirsch dabei jedoch Zieler ein paar Passwege ins Zentrum, in dem nun lediglich Gülselam der einzige potentielle Empfänger für Zuspiele gewesen wäre.

Im ersten Drittel konnte 96 den Ball wie gewohnt stabil laufen lassen, nach einiger Zeit zeigte sich Lars Stindl auch wieder präsenter im Spielaufbau durch sein Zurückfallen. Wegen einer eher schlechten Abstimmung mit Bittencourt, und nicht besonders guter oder überhaupt wahrnehmbarer Folgebewegungen der Sechser blieben die Mannschaftsteile allerdings nicht besonders gut verbunden. Zudem ging 96 im Spielaufbau nur wenig Risiko ein. Kurzzeitig kippte Ceyhun Gülselam ebenfalls rechts seitlich heraus. Beide Mannschaften versuchten so, dem Pressingdruck im Zentrum zu entgehen und bessere Passwege ins Zentrum zu finden. Dies gelang jedoch unter anderem wegen der Mannorientierungen im Zentrum nicht wirklich. Lange Bälle waren immer wieder die Folge – bei Köln direkt in die Spitze, bei 96 auch mal auf den weit ausweichenden Joselu.

In der Defensive hatte 96 jedoch teilweise größere Problemen in der Kontrolle des Zwischenlinienraums. Durch das höhere Pressing bzw. das intensivere Anlaufen war die Formation gegen den Ball logischerweise etwas gestreckter und die Abstände zwischen den Linien etwas größer. Die langen Bälle der Kölner auf ihre beiden Stürmer wurden von 96 zudem eher schlecht verteidigt; zudem gab es eine die Staffelung nach langen Zuspielen betreffend recht gute Abstimmung zwischen den beiden Offensivakteuren. Sané beispielsweise ließ sich oft viel zu weit aus der Kette herausziehen und war in dieser Zwischenposition durch seine bekannte Nicht-Wendigkeit eine Schwachstelle, Marcelo agierte in solchen Situationen ebenfalls wie gewohnt etwas zu direkt. Gingen diese Zweikämpfe verloren oder konnte einer der beiden Kölner Stürmer das Kopfballduell für sich entscheiden, bestanden für die Heimmannschaft ein paar gute Möglichkeiten, die schlechte Organisation der Hannoverschen Abwehr nach langen Bällen zu bespielen.

Insgesamt trat 96 hauptsächlich wegen der hohen Einbindung Zielers (wenn Hirsch nicht im Weg stand) mit mehr Ballbesitz und einer besseren Zirkulation auf. Wegen ein paar mangelhafter oder mangelnder Abstimmungen beim Zurückfallen der Mittelfeldspieler sowie der Kölner Konsequenz im Spiel gegen den Ball ergaben sich jedoch kaum Chancen. Köln agierte wegen spielerischer Probleme im Aufbau gegen das intensivere Anlaufen Hannovers mit vielen langen Bällen. Sie konnten nur kurzzeitig in der ersten Halbzeit die zentralen Mannorientierungen nutzen, um mit dem seitlich positionierten Vogt Lehmann im Zentrum freizuspielen, und blieben folglich ebenso ungefährlich. Die erste Halbzeit lässt sich wohl recht treffend folgendermaßen zusammenfassen: ein Königreich für einen Schmiedebach.

Die zweite Halbzeit

Beide Trainer schickten ihre Mannschaften personell unverändert auf den Rasen. Bei den Kölnern tauschten lediglich Risse und Peszko die Seiten. Bei 96 gab es erfreulicherweise eine leichte Anpassung der Abläufe im Spielaufbau zu verzeichnen, sodass das nicht immer sinnvolle Abkippen Hirschs nahezu völlig eingestellt wurde und die Außenverteidiger ein wenig besser positioniert waren. Köln trat nun jedoch insgesamt etwas höher im Pressing und leicht intensiver im Anlaufen der Hannoverschen Aufbauspieler auf. Dabei behielten sie trotz anscheinend etwas gelockerterer Mannorientierung im Zentrum im tiefen Spielaufbau des Gegners immer wieder ihre 4-1-3-2-Staffelung aufrecht. Hannover fand hin und wieder etwas bessere Wege, durch die Halbräume ins Angriffsspiel zu kommen, was durch wieder etwas ausgeprägteres Unterstützen Joselus im zweiten Drittel gut ergänzt wurde. Briand schob dafür noch etwas konstanter als ohnehin schon in die Spitze, was auch der einzige Grund für seine weitere Anwesenheit auf dem Spielfeld war und ist.

Insgesamt blieb das Spiel dennoch wenig ansehnlich, da die Kölner mit ebenfalls kleinen Veränderungen im Aufbau das ordentliche, aber nicht besonders starke Pressing Hannovers kaum umspielen konnten. Nur mit den bereits im ersten Durchgang gesehenen hohen oder langen Anspielen in die Spitze, bei denen Hannover in der Abwehr erst kaum Zugriff fand oder ihn dann im Zwischenlinienraum wieder verlor, konnten sie ein wenig Gefahr erzeugen. So kam Osako über die rechte Seite, auf der Miiko Albornoz einige Unsicherheiten im Einrücken und generell in der Positionsfindung zeigte, zu zwei Durchbrüchen; Ujah wurde die Gelegenheit gegeben, zweimal vor der Abwehrkette zum Abschluss zu kommen. Nach Standards waren die Gastgeber zudem zumindest ansatzweise nicht ungefährlich. Immerhin: das Kacktor-Pech Hannovers scheint mittlerweile aufgebraucht, keiner dieser Abschlüsse fand trotz Abfälschens oder unabsichtlicher Flugbahnen den Weg ins Netz. (Von wegen „keine Entwicklung unter Korkut“, ihr Facebook-Experten!)

Das etwas höhere Pressing der Kölner setzte 96 im Spielaufbau mehr zu, sodass Zieler und die Innenverteidiger zu mehr langen Bällen gezwungen waren – in Ermangelung guter Bewegungen aus dem Mittelfeld eine logische Konsequenz (vielleicht war die Aufbauraute mit Hirsch aber auch in der Hinsicht gar nicht so schlecht…). Einher mit der geringeren Kölner Kompaktheit ging jedoch auch etwas mehr Platz im zweiten Drittel, den 96 immer mal wieder zu einzelnen guten Kombinationen mit Dreiecksbildung nutzte. Dabei blieb Jimmy Briand breiter, die beiden Sechser stießen dosiert nach und das Duo Stindl/Joselu suchte nach Durchbrüchen. 96 kam so zu ein paar Möglichkeiten aus der Distanz oder zu Flanken durch die aufrückenden, hinterlaufenden Außenverteidiger; besonders gefährlich wurde es naturgemäß nicht.

Verletzungsbedingt musste Leonardo Bittencourt den Platz für den endlich fitten Superspieler Prib räumen, was dem Spiel etwas mehr konstruktive Dynamik verlieh, und Lars Stindl einen kompetenten, konstanten Kombinationspartner mehr besorgte. Bei Köln hatte Risse zuvor das Spielfeld geräumt, er wurde positionsgetreu durch den Norweger Finne ersetzt. Beide Seiten blieben dennoch auf Stabilität bedacht und mäßig gefährlich. Hannover zeigte stabilere Abläufe im Ballbesitz und Angriffsspiel, schockierenderweise scheiterten jedoch einige Spielzüge an technischen Fehlern und Unkonzentriertheiten Stindls. Nach einer eigentlich sehr löblichen, aber zu individuellen und überintensiven Gegenpressingaktion Pereiras sah dieser die gelb-rote Karte. Hirsch rückte auf seine Position rechts in der Abwehr, Andreasen kam zu seinem Comeback im 4-4-1 mit Stindl vor Hirsch. Der wie gesagt instabil auftretende Albornoz wurde zuvor für Christian Pander ausgetauscht, was nicht unbedingt zur Beruhigung beitrug. Am Ende wurde viel gebolzt, gezittert und wenig riskiert.

Fazit

Beide Mannschaften waren auf Stabilität bedacht, beide Mannschaften machten ein paar Dinge ordentlich (Hannover: Ballzirkulation im ersten Drittel, ein paar Sachen im Angriffsspiel; Köln: Abstimmung der Stürmer nach langen Bällen, ein paar Umschaltgelegenheiten). Beide Mannschaften überzeugten jedoch insgesamt eher weniger (Hannover: wegen des zu trägen Spielaufbaus, schlechte Verbindungen, ein paar Sachen im Defensivspiel; Köln: Spielaufbau, Ballbesitz, diese unangenehmen Sachen mit diesem ekligen Ball…). So endet eines der taktisch gesehen wohl langweiligsten und simpelsten 96-Spiele in dieser Saison mit einem 1:1, das aber damit auch zum Spiel passt: Ob das jetzt gut oder schlecht ist, werden beide Seiten nicht besonders gut einschätzen können. Dass die inhaltlich nur mit viel Kreativität nachvollziehbare Generalkritik an 96 allerdings dadurch beendet würde, ist ziemlich gut einzuschätzen: Nein.

Spieler des Spiels: Ceyhun Gülselam

Ja, er hat da diesen einen Ball verloren, nach dem Sané fast an Ujah einen Strafstoß verursacht hätte. Montag wird man also bei der sehr sinnvollen Einzelspielerbewertung etwas lesen können wie „Zu langsam, haarsträubend viele Ballverluste, technisch extrem schwach, in der Offensive unsichtbar“, während der in dieser Situation wenig empathische Pass von Pereira wohl kaum hinterfragt werden wird. Daher sparen wir uns an dieser Stelle eine ohnehin sinnlose Begründung der ohnehin nur als Spielerei gedachten Ernennung zum Spieler des Spiels, indem wir sagen: die anderen waren noch schlechter. Alle verkaufen.

Tatsächlich wäre in Ermangelung irgendwelcher taktisch interessanten Aspekte in dieser Begegnung und wegen der Vorliebe des Autors für stabile, intelligente Fußballer eine Diskussion über den Nicht-Spieler des Spiels einfacher. Aber es würde ein paar Publikumslieblinge treffen… also lieber nicht. (Immerhin dürfte heute der ein oder andere gesehen haben, was für einen großen Wert der extrem unterbewertete Manuel Schmiedebach für Hannover 96 hat. Dementsprechend ist momentan auch ein etwas ausführlicheres Porträt in Arbeit.)

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