SC Freiburg – 96 2:2

Erst denkt man: Der Zufall ist ein Mistkerl und hat keine Ahnung von Fußball. Am Ende muss man feststellen: geht doch! Eine gute Umstellung von Streich (die eigentlich eher eine Intensivierung als eine Anpassung war) bringt schwache Freiburger wieder ins Spiel, obwohl sie sowieso schon führen (warum auch immer). Hannover dominiert erst, schwimmt dann und wuchtet sich zum Ausgleich.

Grundformationen. Hirsch soll den Gülselam machen und… scheitert. Wenn Gülselam diese Fehler gemacht hätte…

Die erste Halbzeit

Der SC Freiburg trat im gewohnten 4-4-2 mit ein paar ebenfalls bekannten flexiblen Positionsinterpretationen an. Während Admir Mehmedi im Angriff flexibel agierte, trat im defensiven Mittelfeld Vladimir Darida mit einer (verletzungsbedingt aber noch nicht so stark ausgeprägten) vertikalen Beweglichkeit auf und auch die beiden Flügelspieler sowie Maik Frantz als zweiter, etwas tieferer Stürmer machten aus dem eigentlich langweiligen 4-4-2 eine zumindest theoretisch ansehnliche Formation.

Freiburg störte den Hannoverschen Spielaufbau im 4-4-2 mit breiten Stürmern, die jedoch nicht intensiv pressten, sondern darauf bedacht waren, die Passwege der breiten 96-Innenverteidiger ins Zentrum zu versperren. Dahinter stand die Mittelfeldkette recht hoch und bewirkte mit einer manchmal auftretenden vertikalen Staffelung im Zentrum, dass der flache Aufbau durch den Sechserraum bei 96 nicht möglich war. Inn der Folge gab es auch kaum Abkippen durch Maurice Hirsch zu sehen und viele Angriffe wurden erneut über Miiko Albornoz eingeleitet, der mit Kiyotake, Stindl und Joselu flache Kombinationen nach vorne anzuschieben versuchte. Durch das beschriebene Pressing der Freiburger bedingt traten die beiden 96-Innenverteidiger mit relativ vielen langen Bällen in Erscheinung. Dabei schob oftmals Jimmy Briand mit auf in letzte Linie und Hiroki Sakai rückte weit auf, um dem 96-Spiel mehr Breite zu geben. Als Zielspieler wurde bei den langen Bällen dabei eigentlich immer Joselu gesucht, der dann den Ball ablegte oder hielt, um auf nachrückende Mitspieler zu warten. Nach etwa einer Viertelstunde versuchte Lars Stindl die spielerische Blockade im Sechserraum zu lösen, indem er sich gewohnt ballfordernd zurückfallen ließ und damit die Freiburger im Mittelfeld zumindest etwas auseinander ziehen konnte. Vor allem aber fiel es Hannover so aber leichter, über Miiko Albornoz das Spiel flach und planvoll aufzubauen. Im zweiten Drittel überzeugte 96 zudem auch gelegentlich mit Spielverlagerungen, wie etwa beim vielleicht schönsten 96-Angriff des Jahres, den der nachrückende Albornoz mit einer schönen flachen Hereingabe auf Joselu abschloss.

Freiburger Spiel gegen den Ball in der ersten Halbzeit. Breite Stürmer, wenig intensiv, hohes Mittelfeld, Sechserraum bei 96 nicht bespielbar.

Durch das gewohnte Einrücken von Kiyotake im zweiten Drittel und ein im Vergleich zur letzten Partie wieder stärker ausgeprägtes Aufschieben Schmiedebachs auf die rechte Seite entstanden dort dann kürzere Passwege. Diese wurden von 96 mit schnellen Kombinationen und ganz besonders Ablagen zuvor zurückgefallener Spieler auf von der quasi ballfernen Seite (nicht wirklich ball“fern“, aber nicht in der unmittelbaren Nähe des Balles) nachstoßende Akteure genutzt wurden. So hielt Hannover den Ball in engen Zonen, zog die Gegenspieler aus der Abwehr heraus und öffnete sich die Schnittstellen, in denen vor allem Joselu hervorragend eingesetzt werden konnte (zwischen Außen- und Innenverteidiger). Besonders wichtig für diese Art des 96-Angriffsspiels waren dabei Lars Stindls Bewegungen im Zwischenlinienraum, der durch eine etwas zu tiefe Freiburger Viererkette gelegentlich zu groß geriet und Hannover einige Optionen bot. Nach diesem Muster mit schnellen, direkten Kombinationen und Ablagen mit anschließenden Schnittstellenpässen kam Hannover zu einigen hervorragenden Möglichkeiten, scheiterte jedoch am Aluminium sowie am einmal sehr gut parierenden Bürki.

Gegen den Ball trat Hannover ebenfalls im 4-4-2 an, störte dabei jedoch früher als Freiburg, war im Anlaufen der Innenverteidiger deutlich intensiver und ließ Freiburg nicht ins Spiel kommen. Durch eine zugriffsfokussierte Mannorientierung im zentralen Mittelfeld, bei der vor allem der abkippende Darida durch Schmiedebach verfolgt wurde, ergänzte diese bekannte Herangehensweise Hannovers, sodass immer wieder vielversprechende Anspielstationen im Freiburger Aufbau blockiert wurden. Im Zusammenspiel mit dem gewohnt konsequenten und intensiven Verschieben und einer hoch stehenden Abwehr, aus der die Innenverteidiger (vor allem Sané) teilweise mutig herausrückten, sorgte 96 dafür, dass den Freiburgern ein produktiver Spielaufbau kaum möglich war. Sie spielten viele lange Bälle auf die beiden beweglichen (Mehmedi in alle Richtungen, Frantz mit kleinerem Radius, eher links) Spitzen, aber konnten ihre Offensive damit nicht gut einbinden und stellten phasenweise quasi keinen Zugriff auf das Spiel her. Der Freiburger Plan bestand aber auch vielmehr darin, durch die intensive Arbeit gegen den Ball im Mittelfeld, vor allem durch das Schaffen ballnaher Überzahl auf den Flügeln, Ballgewinne zu erzwingen und dann über ihren schnellen, tororientierten Flügelspieler zu kontern. Felix Klaus trat dabei rechts höher auf als links Schmid, dessen Rolle dafür jedoch etwas diagonaler angelegt war. Insgesamt war Freiburg somit auch mehr über linke Seite gefährlich, konnte sich so im ersten Durchgang aber auch nur Halbchancen erarbeiten.

Die Freiburger waren aber insgesamt einfach nicht aktiv genug, um die Ballgewinne zu forcieren und verfielen im Aufbauspiel durch Hannovers gute Arbeit gegen den Ball zu einfallslosen langen Bällen, was sie von einem konstruktiven Ballbesitzspiel abhielt. Hannover auf der anderen Seite zeigte einmal mehr eine sehr gute Leistung und spielte nicht nur den planvolleren, sondern auch anspruchsvolleren, effektiveren und ansehnlicheren Fußball. Doch wer vorne seine Chancen nicht nutzt… Nach einem unnötigen Ballverlust in der eigenen Hälfte schaltete Freiburg über die linke Seite um, der bis dahin quasi nicht existente Fratz traf aus dem Rückraum und stellte mit der Führung direkt vor dem Halbzeitpfiff das Spiel vollständig auf den Kopf.

Die zweite Halbzeit

Freiburg kam mit einer eher kleinen, aber sehr wirkungsvollen Umstellung aus der Pause: Der SC störte nach wie vor in einer 4-4-2-Rollenverteilung, trat dabei aber sowohl in der ersten Linie etwas höher und auch intensiver im Anlaufen der Innenverteidiger, als auch noch mannorientierter und aggressiver im Mittelfeld dahinter auf. Vor allem Julian Schuster stieß immer wieder mannorientiert und frühzeitig in den Hannoverschen Sechserraum, auch Darida trug maßgeblich dazu bei, dass der Druck auf die Hannoverschen Aufbauspieler deutlich höher ausfiel als noch im ersten Durchgang. Die beiden Flügelspieler traten zusätzlich etwas tiefer und teilweise auch leicht zentrumsorientiert auf, nutzten diese tiefere Position allerdings, um die Außenverteidiger Hannovers direkt und intensiv anzulaufen.

Intensivierung des Freiburger Pressings nach der Pause. Etwas engere und höhere Stürmer, intensiveres Anlaufen, höheres und noch konsequenter mannorientiertes Mittelfeld, Sechserraum bei 96 immernoch nicht bespielbar und der Rest auch schwieriger.

All diese kleinen Anpassungen – Pressinghöhe, Anlaufintensität, konsequentere Mannorientierungen – führten dazu, dass 96 nicht nur wie bereits im ersten Durchgang das Spiel nicht durch das Zentrum aufbauen konnten, sondern auch beim Spiel auf die Außenverteidiger und über die Innenverteidiger Probleme bekamen. So bolzte 96 viel rum oder kam bei den flachen Aufbauversuchen nicht konstruktiv voran oder noch schlimmer – ermöglichte Freiburger Konter durch schlampige, aber erzwungene Ballverluste. Freiburg hatte aus ihrer jetzt situativ 4-2-4- oder 4-3-3-Staffelung einen kürzeren Weg zum gegnerischen Tor als noch in der ersten Halbzeit und war zudem im Moment der Balleroberung mit einer größeren Anzahl eigener Offensivkräfte vertreten, sodass ihre Umschaltangriffe gefährlicher und zahlreicher wurden. 96 hingegen kam gegen die unmittelbar nach der Pause wuchtigen und aggressiven Freiburger nicht mehr in den Spielfluss der ersten 45 Minuten zurück und versuchte, sich mit zu direkten, zu linearen und stumpfen Angriffen zu befreien. Freiburg auf der anderen Seite kam immer wieder zu im Ansatz gefährlichen Umschaltmöglichkeiten, benötigte einige Minuten später dennoch eine Ecke zur 2:0-Führung.

Nach etwa einer Viertelstunde, in der 96 nahezu keinen einzigen planvollen Angriff hatte fahren können, ließ die Intensität des Freiburger Pressings jedoch wieder etwas nach (vor allem in der ersten Reihe), lediglich die nach wie vor relativ ausgeprägten Mannorientierungen im Sechserraum erschwerten Hannover den Spielaufbau. Korkut reagierte auf diesen Umstand und Hirschs zuvor teilweise unglücklichen Auftritt, indem er Leo Bittencourt brachte und seine Lieblingsumstellung aus der Stabilitätshölle mit Kiyotake-Schmiedebach im zentralen Mittelfeld vollzog. Dankenswerterweise orientierte sich Lars Stindl in den Minuten unmittelbar nach dieser Umstellung sichtlich mehr ins defensive Mittelfeld, sodass Kiyotake etwas stärker aufschieben konnte, ohne Schmiedebach vor allzu große Probleme zu stellen. Hannover arbeitete sich schrittweise wieder in Richtung des gegnerischen Tores vor und versuchte, den spielerischen Faden aus der sehr guten ersten Halbzeit wieder aufzunehmen. Dazu tauchte Jimmy Briand noch etwas öfter zentral auf und auch Bittencourt war recht flexibel in seinen Bewegungen. Die ablageorientierten Angriffszüge wurden jedoch immer wieder durch zu große Abstände unterbrochen und die Freiburger konnten die missratenen Zuspiele über größere Distanzen abfangen und sich wiederum im Kontern betätigen. Zudem waren die Hannoveraner nach wie vor etwas zu überhastet in ihrem Offensivstreben, die Aktionen waren zu direkt und zu überhastet. Eigentlich aussichtsreiche Staffelungen wurden durch lange Bälle auf ungünstig postierte Mitspieler, übermotivierte Dribblings in die Selbstisolation oder völlig unnötige Flanken verschenkt. Die Anbindung der Mannschaftsteile und auch der einzelnen Akteure untereinander funktionierte bei Weitem nicht mehr so gut wie noch im ersten Durchgang, was die Freiburger vor keine besonders großen Probleme in der Verteidigung stellte. Dennoch bereitete Stindl nach einem langen Ball den Anschlusstreffer durch Bittencourt vor und die zuvor angedeutete Tendenz, dass sich 96 fangen würde, wurde bestärkt. Hannover drückte zunehmend aus einer 4-1-3-2-artigen Anordnung heraus, bei der Schmiedebach immer wieder riskant nachstieß. Freiburg ließ sich zurückdrängen und suchte die Entlastung in Unterzahlkontern, die jedoch größtenteils ungefährlich blieben. Hannover war darum bemüht, trotz der drängenden Zeit spielerisch zum Tor zu gelangen, doch schließlich sorgte erneut ein langer Ball, der dank Briands Nachsetzen noch einmal gefährlich wurde, und ein Aussetzer Bürkis für den Hannoverschen Ausgleichstreffer in der vorletzten Minute der Nachspielzeit.

Fazit

Hannover zeigte eine hervorragende erste Halbzeit mit gutem Angriffsspiel, einigermaßen stabiler Ballzirkulation, angesichts der Umstände recht gutem Spielaufbau und erneut phasenweise ansehnlichem Gegenpressing. Die Freiburger hatten Probleme mit dem Ball, fanden keine guten mannschaftlichen Verbindungsstrukturen und traten gegen den Ball nicht druckvoll genug auf, sodass sie oft keinen Zugriff erzeugten. 96 nutzte die wirklich guten Chancen jedoch nicht und Freiburg traf vor dem Pausenpfiff mit der gefühlt einzigen Torchance. Streichs Umstellungen in der Kabine fruchteten jedoch, sodass sich die Kräfteverhältnisse kurzzeitig (etwa 20 Minuten lang) umkehrten und die Schwarzwälder die Führung nachträglich rechtfertigten. Hannover bolzte sich auch nach dem Tor zum 2:0 schrittweise zurück ins Spiel und erzwang den Ausgleich, über das ganze Spiel betrachtet wäre eine 96-Niederlage an diesem Tag allerdings auch ein schlechter Scherz gewesen. Die spielerische Leistung Hannovers in der ersten Halbzeit macht jedoch Lust auf mehr, vor allem wenn man an die Fortschritte denkt, die die Mannschaft von Tayfun Korkut nach den bisherigen Vorbereitungsphasen immer zeigte. Und so endet das Jahr 2014, wie das kommende Jahr gerne anfangen darf: Mit einem Tor für Hannover 96.

Spieler des Spiels: Lars Stindl

Vor allem wegen der starken ersten Halbzeit gibt es eigentlich mehrere 96-Akteure, die man in dieser Rubrik nennen müsste, zumal immer nur Stindl irgendwann langweilig wird. Joselu bestach durch sein gutes Ausweichen, seine technisch starken Ablagen, seine guten Bewegungen in die Schnittstellen. Briand zeigte sich recht geschickt im Unterstützen der Kombinationen im Zentrum, Kiyotake demonstrierte einige Male stark, was technische Klasse auf engem Raum am linken Flügel wert ist, wenn über Albornoz aufgebaut wird und Freiburg auf dem Flügel presst. Schmiedebach füllte verschiedene Rollen aus (ohnehin der wohl wichtigste Grund für Korkut, ihn immer wieder aufzustellen), war im Angriffsspiel so effektiv wie lange nicht mehr und insgesamt der deutlich bessere Sechser (was an diesem Tag allerdings auch nicht unfassbar schwer war). Sané zeigte einige gute Aktionen, wenn er aus der Kette herausrückte und die Freiburger Angriffe gut unterband. Doch sie alle bauten in der zweiten Hälfte deutlich ab. Nur Lars Stindl hielt ein einigermaßen hohes Niveau, war in der ersten Halbzeit an nahezu allen gefährlichen Angriffen beteiligt (und das waren nicht wenige) und betätigte sich unter dem großen Druck der Freiburger im zweiten Durchgang sowohl an der Stabilisierung der Defensive, als auch weiterhin als antreibendes Element in der Offensive, wenngleich ihm die offenere Struktur und die direktere Spielweise nicht unbedingt entgegenkam. Dennoch blieb er gefährlich und durchschlagskräftig, zwang Kempf zur nicht geahndeten Notbremse und setzte sich vor seiner Vorarbeit zum Anschlusstreffer gut durch. Über seine anderen Stärken, die er größtenteils auch in dieser Begegnung zeigen konnte, muss ohnehin nicht mehr gesprochen werden.

 

2 Kommentare

  • Anonym sagt:

    Danke für deine immer aktuellen Spielanaylsen!

    Mit deinem Schlußsatz hast du eine große Erwartungshaltung geweckt. Dabei wünsche ich dir gutes gelingen!

    Ich lese deine Analysen, nicht weil ich mit dir immer übereinstimme. Sondern so erhalte ich einen anderen Blickwinkel zum Spiel und lerne über Taktik und Spielsysteme dazu. Bitte weitermachen!

    Ich wünsche dir ein besinnliches Weihnachtsfest und ein gutes Jahr 2015. @H96sailer

  • Sikozu Shanu sagt:

    Also ich finde das Layout ganz hübsch, aber wenn ihr es nicht mögt ^^

Leave a Comment